Der Ludwigsburger Egmont Roozenbeek weiß alles über Führung und ist ein preisgekrönter Redner. Ein Gespräch über gute und schlechte Chefs und über mündige Mitarbeiter.

Region: Verena Mayer (ena)

Ludwigsburg – - Was haben ein Türsteher und ein Offizier gemeinsam? – Sie müssen oft blitzschnell Entscheidungen treffen. Egmont Roozenbeek hat beides gemacht – und vermittelt sein Wissen heute in Wirtschaftsunternehmen. Wer dabei von dem Ludwigsburger aber ein Plädoyer für den autoritären Führungsstil erwartet, liegt völlig daneben.

 

Herr Roozenbeek, Sie haben mit einem Vortrag über „Führen in Extremsituationen“ zwei Preise gewonnen. In welchen Extremsituationen sind Sie gewesen?

In einigen. Ein Beispiel: Als ich 2007 als Offizier in Afghanistan war, gab es einen Sprengstoffanschlag auf meinen Konvoi. Das erste Fahrzeug des Konvois wurde angesprengt und war nicht mehr einsatzbereit. Was tun? Alle Leute absitzen lassen, um den Feind zu bekämpfen und die Verwundeten zu bergen und für den Lufttransport vorzubereiten – dabei jedoch das Leben der anderen Soldaten zu riskieren, weil man ja nicht weiß, ob es weitere Sprengsätze gibt, wie stark der Feind ist. Oder auf Verstärkungskräfte warten und dadurch wahrscheinlich das Leben der anderen Soldaten schützen, aber den Tod der beiden Schwerverletzten riskieren.

Haben Sie damals richtig entschieden?

Ich habe mich damals dafür entschieden, die Leute absitzen zu lassen und die Verwundeten zu bergen. Alle haben überlebt. Aber es geht bei Entscheidungen nicht um richtig oder falsch, sondern um Sinnstiftung für den Augenblick. Was ist in einer akuten Situation das Sinnvollste, das ich tun kann.

Sie waren bei der Bundeswehr und haben auch als Türsteher gearbeitet. Damit assoziiert man eher einen autoritären Führungsstil, oder?

Ja, aber die meisten Leute sind leider falsch informiert. Gerade bei der Bundeswehr ist die Ausbildung von Führungskräften ein ganz wichtiger Punkt! Anders als in der freien Wirtschaft. Da wird häufig von heute auf morgen aus der besten Fachkraft eine Führungskraft gemacht – ohne dass sie auch nur einen Tag dazu ausgebildet worden ist.

Dass Ihre Dienste in Unternehmen gefragt sind, spricht für einen Wandel, oder?

Das nehme ich nicht so wahr. In vielen Unternehmen herrscht noch immer die Meinung vor: Ich mache die Leute zur Führungskraft, schicke sie vielleicht noch auf ein zweitägiges Seminar, dann können die alles. Ich behaupte: Hätte es in der deutschen Automobilwirtschaft eine Ausbildung gegeben wie es sie beim Militär gibt, dann hätte es den Dieselskandal in dieser Form niemals gegeben.

Weil sich Mitarbeiter verweigert hätten?

Natürlich! Die hätten gesagt, ich mache das nicht. Aufgrund der deutschen Geschichte sind in unserer militärischen Offiziersausbildung Gewissensentscheidungen ein großer Schwerpunkt. Unrechtmäßige Befehle müssen und dürfen nicht befolgt werden, das muss ganz klar sein. In vielen Unternehmen jedoch würden manche Mitarbeiter alles machen für ihre Führungskräfte, auch wenn es illegal ist.

Woran erkennt man einen guten Anführer?

Ein guter Anführer kennt seine Werte: Er weiß, warum er Führungskraft werden möchte. Wichtig ist auch Empathie und dass er selbst ein Vorbild abgibt. In meiner Zeit bei der Armee habe ich selbst viele schlechte Führungskräfte erlebt. Immerhin habe ich von ihnen gelernt, wie es nicht geht.

Nennen Sie ein Beispiel.

Da gab es diesen Major, der wirklich jeden Morgen zu spät zum Antreten kam. Die ganze Kompanie war schon da – und statt dass er sich dazu gestellt hat und „Guten Morgen“ rief, fuhr er an der Gruppe vorbei, hat kurz gewunken und ist dann über den Hintereingang ins Gebäude. Wie hat das wohl auf die Leute gewirkt? Alle müssen pünktlich da sein – er kommt jeden Tag zu spät. Alle treten an und zeigen Respekt – er zeigt keinen Respekt.

Was raten Sie einem Mitarbeiter, der einen schlechten Chef hat?

Sich trauen, das entsprechende Feedback zu geben. Und im schlimmsten Fall kündigen. In vielen Branchen sind Arbeitskräfte heiß begehrt. Warum soll man sich da mit einer schlechten Führungskraft rumärgern? Leider gibt es erschreckende Zahlen darüber, wie viele Personen wegen ihrer direkten Führungskraft kündigen.

Kann jeder ein guter Anführer werden?

Grundsätzlich kann jeder die Techniken lernen – aber man muss es wollen. Wenn das gegeben ist, kann glaube ich jeder ein guter Anführer werden. Sehr häufig ist es leider so, dass Menschen Führungskraft werden, die aber gar nicht Menschen führen, sondern nur den Verdienst und das Ansehen haben wollen. Ich werde oft von Unternehmen engagiert, weil die Atmosphäre im Betrieb oder in einer Abteilung schlecht ist. Bei der Analyse stellt sich dann heraus, dass Fremd- und Selbstbild der Führungskraft auseinanderklaffen: Der Chef hält sich für den Besten, die Mitarbeiter hingegen halten ihn für unfähig.

Haben Sie auch mal schlecht geführt?

Das macht jeder. Ich habe etwa Mitarbeitern zu früh zu viel Verantwortung gegeben. Als Offizier war ich mitverantwortlich dafür, Menschen in den Einsatz zu schicken – im schlimmsten Fall kann eine falsche Entscheidung fatale Folgen haben. Trotzdem: Fehler gehören dazu, aber am besten in jeder Situation nur einmal.

Ein Mann, viele Interessen

Person
Egmont Roozenbeek, aufgewachsen in Schwieberdingen, hat eine bewegte Vita: Er war zwölf Jahre Offizier bei der Bundeswehr, jobbte nebenbei als Türsteher und sattelte später auf Versicherungsmakler um. Heute arbeitet er als Unternehmensberater in Ludwigsburg. Zu seinen Hobbys zählt der 43-Jährige Thaiboxen und 24-Stunden-Läufe. Er ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn.

Preis
Beim European Speaker, der Europameisterschaft der Redner, hat Roozenbeek zwei Preise gewonnen: Die Fachjury wählte ihn auf den zweiten Platz, das Publikum bedachte ihn mit dem ersten Platz.