Die vielfältigen Meinungen zur Ehe für alle geben keinen Aufschluss über ein mögliches Urteil, meint unser Redakteur Christian Gottschalk.
Berlin - Wohl selten ist eine politische Gruppierung so von den Ereignissen überrollt worden wie beim Thema Ehe für alle. Abgeordnete mit einem Bauchgrimmen oder Bedenken gegen die Öffnung der Ehe hatten im hoch dynamischen Prozess dieser Woche kaum Gelegenheit gehabt, sich zu sammeln. Wer jetzt in den Archiven gräbt, um zu ergründen, was die Mütter und Väter des Grundgesetzes gemeint haben, wer alte Verfassungsentscheidungen studiert, um sich auf mögliche Verstöße gegen das Grundgesetz zu berufen, dem geht es gegen den Inhalt des Gesetzes. Was kein Argument dafür ist, rechtliche Aspekte auszublenden.
Die Karlsruher Richter sind sich bei diesem Thema nicht immer einig
Die Frage, ob die große Koalition das Grundgesetz verletzt hat, ist dabei ziemlich einfach zu beantworten: Man weiß es nicht. Das Rennen der Rechtswissenschaftler gibt jedenfalls keinen Aufschluss. Beide Seiten haben Anhänger, beide Seiten haben gute Argumente. Zumal sich auch die Karlsruher Wächter der Verfassung in diesem Themenkomplex nicht immer einig sind. Das Urteil zur eingetragenen Lebenspartnerschaft ist mit 5:3 Stimmen ergangen. Dass rund drei Viertel der Deutschen hinter der Ehe für alle stehen, sollte die Karlsruher Richter nicht unbeeindruckt lassen. Das Grundgesetz im Lichte der Lebenswirklichkeit zu interpretieren würde auch dem Ansehen des Gerichts nicht schaden.