Der Münchner Investor Reiß & Co. aus München möchte die ehemalige EnBW-Zentrale an der Kriegsbergstraße abreißen und dort neu bauen. Bürgermeister Peter Pätzold (Grüne) will das verhindern.

Stuttgart - Der Stuttgarter Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) will den geplanten Abriss der stadtbildprägenden, aus zwei verschiedenen Blöcken bestehenden EnBW-Firmenzentrale zwischen Jäger- und Kriegsberg-, Ossietzky- und Goethestraße verhindern. Besonders der rückwärtige Teil zur Jägerstraße, vom bekannten Stuttgarter Architekturbüro Lederer, Ragnarsdóttir und Oei entworfen und erst 1997 fertiggestellt, steht im Fokus seiner Bemühungen. Das ungewöhnliche Klinkergebäude ist preisgekrönt und wird in der Fachliteratur bejubelt.

 

1976 war das erste Gebäude an der Kriegsbergstraße fertiggestellt worden, damals firmierte das Unternehmen noch unter Energieversorgung Schwaben (EVS), die 1997 mit dem Badenwerk zur Energie Baden-Württemberg (EnBW) verschmolz. Die Qualität der Architektur beider Gebäudeteile sei herausragend, erklärt Pätzold auf Anfrage. Auch wenn sie noch nicht unter Denkmalschutz stünden, so seien sie doch wichtige Zeugen der Stuttgarter Architekturgeschichte. „Wir sind natürlich erschrocken, als wir vom geplanten Abbruch gehört haben“, sagt Arno Lederer, „es blutet einem das Herz.“ Das Gebäude zähle zum Hochwertigsten, das sein Büro je geplant habe. Dass nach nicht einmal 20 Jahren ein so stark auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Gebäude entbehrlich würde, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Es müsse doch Alternativen geben.

Münchner Investor plant offenbar Wohnungen und Büros

Neuer Grundstückseigentümer ist die Reiß & Co Real Estate mit Sitz in München, die in Stuttgart das Büro- und Wohnprojekt „Pariser Höfe“ im Europaviertel hinter dem Hauptbahnhof erstellte. Dabei handelt es sich um eine hochpreisige Immobilie, nach Expertenmeinung „ bessere Standardarchitektur“. Reiß plant nach StZ-Informationen zwischen Kriegsberg- und Jägerstraße ebenfalls Büros und Wohnen, dafür will er sowohl den Alt- wie auch den Neubau schleifen. Man gebe derzeit „noch keine Auskunft hinsichtlich der Nutzung, da wir uns noch in der Planung und in der Abstimmung mit der Stadt Stuttgart befinden“, teilte das Unternehmen mit.

Das neue Projekt würde nach StZ-Informationen allerdings einen neuen Bebauungsplan erfordern, zu dessen Aufstellung die Stadt zum gegenwärtigen Zeitpunkt offenbar nicht bereit ist. OB Fritz Kuhn (Grüne) hatte einst in seinem Wahlkampf propagiert: „Wir bauen für Stuttgart, nicht für Investoren.“ Und der Architekt Peter Pätzold denkt genauso. Planungsrechtlich dürfen an dieser Stelle ohnehin nur 40 Prozent des rund 3000 Quadratmeter großen Areals überbaut werden, bei mehr als zwei Stockwerken mit Wohnungen reduziert sich die Überbaubarkeit sogar auf 40 Prozent. Die Gebäudehöhe darf vier Stockwerke und 15 Meter Höhe nicht überschreiten.

Für den bestehenden Komplex, bezogen auf das Volumen offenbar das Vorbild für die Reiß-Planungen, waren damals großzügige Befreiungen gewährt worden, denn das Grundstück ist fast vollständig überbaut, und das Gebäude hat auch fünf Etagen. In diesen Kategorien neu zu bauen, ist ohne den artikulierten politischen Willen definitiv nicht möglich. Womöglich lohnt sich ein Neubau dann nicht mehr. Außerdem gelten heute strengere Vorgaben wegen der sensiblen Stadtklimatologie. Der Ausschuss für Umwelt und Technik wird sich am 14. Juni hinter verschlossenen Türen erstmals mit dem Thema beschäftigen, der Städtebauausschuss diskutiert eine Woche später darüber. In der Verwaltung geht man davon aus, dass der Gemeinderat ei-nem neuen Bebauungsplan (und so mittelbar auch einem Abriss) die Zustimmung verweigert, haben doch Stadträte zuletzt immer wieder gefordert, stadtbildprägende Gebäude zu erhalten.

Gebäude wurde schon mit dem Bonatzbau verglichen

Bürgermeister Pätzold hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. Zuerst müsse der Investor aber Belege vorweisen, dass die Gebäude in einem nicht mehr zu sanierenden Zustand seien. Für den Altbau möge das gelten, für den Neubau nicht. Rathausspitze und Architekten sind sich einig, dass sich in dem Gebäude auch andere Nutzungen wie etwa ein Hotel umsetzen ließen.

Das Büro Lederer Ragnarsdóttir und Oei war 1992 mit dem ersten Preis ausgezeichnet worden, auf Rang zwei kam das Büro Kammerer, Belz, Kucher und Partner, vom dem der EVS-Bau von 1976 stammt. Für den ersten Preisträger sprächen die Gediegenheit, Solidität, Wirtschaftlichkeit und Bodenständigkeit des Entwurfs – „Eigenschaften wie die der EVS“, betonte der damalige Firmenchef Wilfried Steuer.

Steuer sagte bei der Einweihung nach drei Jahren Bauzeit: „Nach 70 Jahren hat Stuttgart wieder ein mit dem Bonatzschen Hauptbahnhof vergleichbaren Bau erhalten“ – damals standen freilich die Seitenflügel noch. „Kosten unterschritten, Zeitplan eingehalten“, freute er sich. Für Marc Oei, der mit der EVS-Zentrale sein erstes großes Projekt realisierte, war das selbstverständlich. An die Obergrenze von umgerechnet 57,5 Millionen Euro sei man einfach nicht herangekommen. 50 Millionen Euro haben vollauf gereicht für das Gebäude, das in der Folge mehrfach ausgezeichnet wurde, unter anderem mit dem Hugo-Häring-Preis und dem Preis des Bundes deutscher Architekten für gutes Bauen.

Arno Lederer und seine Kollegen bauen gerne gegen den Trend des gläsernen, eleganten und transparenten Bürohausallerleis mit Hilfe von massiven Formen und natürlichen Materialien wie eben dem schwarzen Klinker für die ehemalige EnBW-Zentrale. Das Gebäude ist bis auf die Fensteröffnungen mit einer zweischaligen Mauerwerks-Stahlbetonfassade geschlossen. Damit wurde ein hoher Wärmeschutz erreicht. Auf Heizkörper konnte verzichtet werden, weil die hohe träge Masse des Bürokomplexes durch innere Wärmelasten erwärmt wird.

Der Auftraggeber war sich sicher, mit dem Gebäude „beim Energiesparen einen Meistertitel zu erobern“. Für seine Mitarbeiter war nur das Beste gut genug: Das Kasino hatte mit seiner gemauerten Tonne auf massiven Mauerpfeilern so gar nichts von den üblichen Abfütterungskantinen, sondern würde jedem guten Restaurants zur Ehre gereichen“, heißt es lobend in einem Bildband.