Lokalpolitiker erzwingen mit ihrem Nein zum Umbau des Eiermann-Areals eine öffentliche Debatte vor Ort. Die Pläne der Stadt würden das Areal zum aktuell größten Neubaugebiet Stuttgarts machen.

Vaihingen - Zu sagen, die Bezirksbeiräte wären verärgert gewesen, wäre untertrieben. Sie waren stocksauer. Das bekamen die Vertreter der Stadt zu spüren, die am vergangenen Dienstagabend in die Sitzung der Vaihinger Lokalpolitiker gekommen waren, um ihre Pläne für die ehemalige IBM-Zentrale vorzustellen. Das für Nichtkenner recht versteckt im Wald liegende, aber riesige Areal im Zwickel von A 8 und A 831 steht seit vier Jahren leer. Und mit ihren Plänen, dem Gebiet wieder neues Leben einzuhauchen, rannten die Besucher gegen eine Wand. In seltener Einmütigkeit wischten die Bezirksbeiräte die Vorschläge einstimmig vom Tisch. Die Pläne würden das Areal zum aktuell größte Neubaugebiets Stuttgart machen.

 

Veranstaltungszentrum statt Kantine

„So etwas darf niemals nicht in nicht-öffentlicher Sitzung stattfinden“, sagte einer der Beiräte anschließend. „Das würde einen neuen Stadtteil ergeben“, sagte ein anderer. Das könne man nicht einfach nebenher entscheiden. Die Lokalpolitiker hätten vorab keine Unterlagen erhalten, und in der Sitzung sei nur ein fünfseitiges Papier ausgeteilt worden. Die Informationen, die es enthalten habe, seien dürftig gewesen. „Die Vaihinger wären stolz auf ihren Bezirksbeirat gewesen. Wir haben alle an einem Strang gezogen“, sagte ein dritter. „Wir haben uns nicht festnageln lassen.“

Die Stadt hat Großes auf dem Gelände der ehemaligen IBM-Zentrale vor. Bereits am Dienstagmittag hatte Oberbürgermeister Fritz Kuhn die Pläne offengelegt, nachdem Teile davon zuvor an die Öffentlichkeit gedrungen waren. Drei der denkmalgeschützten Bürogebäude des berühmten Architekten Egon Eiermann aus den Jahren 1969 bis 1972 sollen saniert werden, aus der früheren Kantine soll ein Veranstaltungszentrum werden.

Um das zu finanzieren, die Rede ist von 100 Millionen Euro, soll das übrige Gelände nachverdichtet werden. Demnach könnten zwölf Gebäude mit vier bis sieben Geschossen entstehen. Außerdem ist ein Hochhaus mit 15 Stockwerken vorgesehen, ein Parkhaus und eine Kita. Der frühere Parkplatz müsste dafür weichen, in den Wald würde ebenfalls eingegriffen. Die Stadt stellt sich vor, dass sich dort Firmen ansiedeln sowie Mitarbeiter von Vaihinger Forschungseinrichtungen und Studenten.

Unzureichende Thematisierung des Verkehrsproblems

Unabhängig von der allgemeinen Kritik, ein solches Vorhaben dürfe nicht hinter verschlossenen Türen behandelt werden, hatten die Lokalpolitiker auch an den Plänen selbst einiges auszusetzen. Vor allem von der ökosozialen Hälfte des Bezirksbeirats wurde kritisiert, dass ein Teil des Waldes gefällt werden müsste. Nur ein Teil der denkmalgeschützten Gebäude würden erhalten, die Parkanlage würde zerstört.

Über alle Fraktionen hinweg wurde bemängelt, dass die Frage des Lärmschutzes ausgeblendet worden sei, immerhin stehen die Häuser gerade einmal 100 Meter von der Autobahn entfernt. Auch sei das Verkehrsproblem und die Anbindung mit Bussen unzureichend thematisiert worden. Von einem Teil der bürgerlichen Hälfte des Gremiums wurde sogar die Sinnhaftigkeit des ganzen Projekts bezweifelt. Dort wolle doch niemand wohnen und in Vaihingen gebe es durch die geplante Bebauung des Aurelis-Areals im Industriegebiet schon genug Büros.

Die von den Vaihingern abgelehnten Pläne waren von einer Expertengruppe aus Architekten und Verwaltungsleuten sowie dem Vaihinger Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) entworfen worden. Drei Mal hatten sie sich im Auftrag von OB Kuhn getroffen, damit sich auf dem Eiermann-Areal endlich etwas tut.

Denkmalschutz erschwert den Verkauf

2009 hatte IBM seinen Deutschlandsitz von Vaihingen nach Ehningen bei Böblingen verlagert. Bereits 2007 hatte der Investor CB Richard Ellis das Gelände für 83 Millionen Euro gekauft, scheiterte aber, die Gebäude zu vermarkten. 2011 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Seitdem bemühen sich die Frankfurter Insolvenzverwalter Claudia Jansen und Stephan Schlegel um den Verkauf des Areals. Sie bemängelten, dass der Denkmalschutz dies erschweren würde. Erst stand ein Abriss zur Debatte, dann die Gebäude verfallen zu lassen. Mehrfach verschoben die Gläubigerbanken die Fristen, zu denen sie die Zahlungen für den Unterhalt des Geländes einstellen wollten.

„Ich verstehe den Ärger“, sagte der Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle. „Das Prozedere war nicht sauber in der Verwaltung abgestimmt.“ So hätten die Mitglieder des Bezirksbeirats eigentlich schon vorab Unterlagen erhalten sollen, das habe man aber vergessen.

Gleichwohl verteidigte er das Prozedere, die Pläne nicht-öffentlich zu beraten. Stadträte behandeln als erstes Themen öffentlich, nicht Bezirksbeiräte. „Das war schon immer so“, sagte er. Zudem habe er sich über die Ablehnung in der Sache gewundert. „Die Vaihinger müssten eigentlich froh sein, dass sich endlich etwas tut“, sagte Wölfle. „Das müsste ihnen unter den Fingernägeln brennen.“

Mit ihrer Ablehnung haben die Vaihinger Lokalpolitiker übrigens genau das erreicht, was sie wollten. In einem solchen Fall muss das Gremium ein zweites Mal gehört werden. Schon in einer Woche wird es deshalb eine Sondersitzung geben. Am Dienstag, 24. September, werden die Räter dann öffentlich debattieren können, bestätigt der Verwaltungsbürgermeister.