Er war, wie immer, stilvoll gekleidet. Er war gut gelaunt. Und er wirkte entspannt und gut erholt. Aber auch: neu motiviert. So also präsentierte sich Joachim Löw, als er am Freitagabend im Porsche-Museum in Stuttgart mal wieder eine Auszeichnung entgegennehmen durfte. „Dieser Preis“, sagte er auf der Bühne oben im vierten Stock, „steht stellvertretend für alle Trainerinnen und Trainer.“ Der Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) hatte ihn soeben bei der 25. Auflage des jährlichen Trainerpreises mit dem erstmals vergebenen Jubiläumspreis ausgezeichnet.
Jogi Löw also ist zurück im Lichte der Öffentlichkeit, die er nach seinem Rückzug nach 15 Jahren als Bundestrainer bewusst gemieden hatte. „Verarbeiten, reflektieren und analysieren“ wollte er seine Amtszeit erst einmal, „ich habe den Abstand gebraucht“. „Um Weihnachten herum“ war das erledigt, mittlerweile sieht man Löw wieder in den Stadien der Fußball-Bundesliga. Auf der Tribüne. Wobei: Am vergangenen Samstag sah man Löw nicht.
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„Eigentlich wäre ich in Stuttgart im Stadion gewesen“, erzählt er, doch eine Kommunionsfeier in der Familie war dann doch wichtiger. Und so verfolgte der frühere Trainer des VfB Stuttgart die dramatische Rettung seines Ex-Clubs aus der Ferne – aber immer auf Ballhöhe.
„Zehn Minuten vor dem Ende habe ich noch gedacht, das geht ganz anders aus, da war ich schon enttäuscht“, erinnert sich Jogi Löw an die Schlussphase des letzten Spieltags, „umso größer war die Freude, als es doch noch anders kam. Als das Tor zum 2:1 für den VfB fiel, ist das Stadion ja explodiert.“ Das hat sich der langjährige Bundestrainer am Abend im Fernsehen angeschaut, hat „diese ganze Explosion miterlebt“ – was ihn ihn seiner Grundhaltung dem VfB gegenüber nur bestärkt hat.
„Das war klasse – und das zeigt, was der VfB für die Region bedeutet. Der Club hat einen hohen Stellenwert, die Fans sind absolut sensationell und standen auch in schwierigen Phasen hinter der Mannschaft“, sagt Löw, der vor 25 Jahren mit dem Club den DFB-Pokal gewonnen hat. „Der VfB ist wie der SC Freiburg Teil meiner ganzen Geschichten“, sagt Löw, „das sind zwei Vereine, die ich im Herzen habe.“ Und deren Handeln er zuletzt mit Freude beobachtet hat.
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Der SC Freiburg steht mit dem Trainer Christian Streich ja ohnehin für Kontinuität, zuletzt hat diese aber auch der in der Vergangenheit oft wankelmütige VfB bewiesen. „Dass der VfB am Trainer festgehalten hat, ist für mich ein sehr gutes Zeichen gewesen“, sagt Löw. Es sei schließlich „entscheidend, dass man auch in schwierigen Phasen die Ruhe bewahrt“. Aktionismus führe nicht immer zum Erfolg. Vielmehr habe das Vertrauen in den eingeschlagenen Weg in Stuttgart letztlich den Klassenverbleib ermöglicht.
Sportdirektor will Löw nicht werden
„Wenn ich zuletzt beim VfB zu Gast war, habe ich immer gespürt, dass die Verantwortlichen dem Trainer absolut vertrauen. Das fand ich gut, das war wichtig. Das hat der Trainer sicherlich gespürt, sonst hätte er diese Leistung am Ende nicht abrufen können“, erklärt der 62-Jährige – und lobt auch Pellegrino Matarazzo, den Chefcoach des VfB: „Er macht auf mich immer einen ruhigen, besonnenen und klaren Eindruck. Er hat sehr viel Qualität.“ Seine eigenen Qualitäten will auch Jogi Löw bald wieder einbringen.
Anfragen und Angebote habe es schon in den vergangenen Wochen immer wieder gegeben, erzählt der Mann aus dem Schwarzwald, „jetzt werde ich mich konkret damit beschäftigen“. Er betont: „Es kann durchaus sein, dass ich in der nächsten Saison wieder einsteige.“ Nur: wo? Und: in welcher Funktion?
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Sportdirektor will er nicht werden, eine beratender Funktion kann er sich vorstellen. Wenn man den früheren Bundestrainer aber so reden hört, ist es wohl doch der Trainerjob, der in weiterhin am meisten reizt. Allerdings: nicht in der Bundesliga – obwohl da gerade einige Trainerstellen offen sind. „In der Bundesliga war ich 15 Jahre überwiegend unterwegs. In der Funktion als Trainer würde mich eher das Ausland reizen“, sagt Löw – und stellt klar, was an diesem Abend in Stuttgart alle sehen konnten: „Die Motivation ist zurückgekehrt.“
Der Trainerpreis des LSV
Trainer des Jahres 2021
Armen Mkrtchyan. Der Ringertrainer führte Aline Rotter-Focken zum Olympiasieg in Tokio.
Ehrenpreis für das Lebenswerk
Karl-Heinz Streng. Der Reitmeister arbeitet auch mit 80 Jahren noch als Trainer.
Sonderpreis der Barmer
Rudi Sonnenbichler. Der frühere Volleyball-Bundestrainer engagiert sich seit vielen Jahren im Sitzvolleyball.
Sonderpreis des LSV
Das Schanzenteam in Titisee-Neustadt, das jedes Jahr durch ehrenamtliche Arbeit das Weltcup-Skispringen ermöglicht.
Jubiläumspreis
Joachim Löw.