Es gibt nur noch wenige ehemalige KZ-Häftlinge, die von den Qualen des Schuhläufer-Kommandos im Konzentrationslager Sachsenhause berichten können. Peter Josef Snep ist einer davon. In dieser Woche hat er seine Geschichte in Ludwigsburg erzählt.

Ludwigsburg - Peter Josef Snep ist mit 92 Jahren noch immer ein zäher Mensch. Nach den vier Vorträgen, die er in dieser Woche gehalten hat, war seine Stimme am Donnerstagmorgen schon beinahe am Ende. Aber er hielt auch den fünften vor den Schülern der Justinus Kerner Schule in Ludwigsburg durch und erzählte ihnen seine Geschichte. Er musste Qualen durchleiden, die mit fünf Vorträgen kaum vergleichbar sind. Snep überlebte während der Zeit des Nationalsozialismus als Häftling ein Gefängnis, drei Konzentrationslager und das Schuhläufer-Kommando im Konzentrationslager Sachsenhausen.

 

Mehr als zehn Schuhläufer starben täglich

„Im allgemeinen hieß es, dass die Schuhläufer-Kolonne ein Todesurteil war“, sagte Snep zu den Schülern. Die Häftlinge des Kommandos mussten von morgens bis abends auf der 700 Meter langen Schuhprüfstrecke auf und ab marschieren, zwischen 40 und 50 Kilometer am Tag. An den Füßen trugen sie dabei auch Schuhe der Firma Salamander, die dort ihr Material auf verschiedenen Untergründen testete. Mehr als zehn Gefangene seien an jedem Tag gestorben, schätzt Snep heute. Wenn einem Läufer die Kraft ausging, erschossen ihn die SS-Wachmänner ohne Skrupel.

„Ich hatte Glück, dass ich ein guter Athlet war, und ich hatte Glück, dass ich Tischler war“, sagt der 92-jährige rückblickend. Da er vor der Haft zu den Spitzenturnern Hollands gehörte hatte, war er fit genug, um die Todesmärsche zu überstehen. Gemeinsam mit seinem Vater, der als Wanderer über ähnliche Zähigkeit verfügte. Wie lange sie nach ihrer Ankunft in Sachsenhausen 1942 im Schuhläuferkommando zubrachten, weiß Snep nicht mehr genau. Es seien wohl einige Wochen gewesen.

Danach wurden er und sein Vater in das KZ-Außenlager in Berlin-Lichterfelde abkommandiert. Als gelernte Tischler wurden sie gebraucht, um die Bombenschäden in der Stadt zu reparieren. Im Jahr 1943 schickte die SS Peter Josef Snep schließlich zum Arbeitseinsatz nach Amsterdam zurück. Dort gelang es ihm, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges abzutauchen.

Snep verhilft Juden zur Flucht in die Schweiz

Peter Josef Sneps Geschichte ist vom ersten Atemzug an außergewöhnlich und fesselnd. Geboren wurde er 1921 als Sohn eines Holländers und einer Deutschen in Bonn. Sein Vater betrieb in Bonn eine Möbelfabrik, die er nach der Machtergreifung der Nazis verkaufte. Er wollte nicht weiter unter dem Unrecht leben und zog mit seiner Familie nach Amsterdam. Seine Geschäftspartner und Freunde, darunter viele Juden, ließ der gelernte Tischler im Deutschen Reich zurück.

Da Snep senior als junger Handwerker ganz Europa bereist hatte, fing er irgendwann an, Busreisen von Holland nach Deutschland zu organisieren. Damals musste sich auf solchen Touren nur der Reiseleiter ausweisen. Auf dem Rückweg konnte er deshalb immer ein paar seiner jüdischen Bekannten unentdeckt im Bus unterbringen. „So hat er bis 1940 viele jüdische Freunde nach Holland gebracht“, sagt sein Sohn. Als die Nazis 1940 in Holland einmarschierten, baute Vater Snep zusammen mit seinem jüngsten Sohn Peter Josef dann eine Fluchtroute für Juden in Richtung Schweiz auf. Bis sie 1942 verraten und in ein KZ in den Niederlanden gebracht wurden, von wo sie die SS später nach Sachsenhausen bei Berlin verlegte.

Vor zwölf Jahren begann Snep, seine Geschichte zu erzählen

Bis vor etwa zwölf Jahren redete Snep kaum über seine Erlebnisse. Erst als er vor etwa zwölf Jahren zur Einweihung der Gedenkstätte des KZ-Außenlagers in Lichterfelde eingeladen wurde, fing er an, seine Geschichte bei Zeitzeugengesprächen zu erzählen. Heute ist er der Vize-Präsident des Internationalen Sachsenhausen-Komitees und hat für seine Leistungen im Frühjahr das Bundesverdienstkreuz erhalten.