George W. Bush, Condoleeza Rice, Colin Powell: Keiner von ihnen kommt gut weg in der politischen Biografie des Ex-Vizepräsidenten Dick Cheney.  

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Washington - Wer sich noch fragt, wer in den Schreckensstunden des 11. September 2001 in den USA das Sagen hatte, der erhält auf den ersten Seiten der neuen Biografie des damaligen Vizepräsidenten Dick Cheney gleich Bescheid. Mit Sinn für Dramaturgie lässt er den Leser atemlos daran teilhaben, wie er damals in den Geheimbunker unter dem Weißen Haus eilte - und alle Schalthebel kontrollierte. Sollten verbliebene, entführte Flugzeuge rücksichtslos abgeschossen werden? "Ich sagte ,Ja', ohne zu zögern", schreibt Cheney. Präsident George W. Bush irrte hingegen, der Weisung seines Vize folgend, mit dem Flugzeug durchs Land. Doch sein Adlatus wusste sehr wohl, was die Etikette forderte: "Wenn ich rausgegangen wäre und mit den Medien gesprochen hätte, dann hätte das den Präsidenten unterminiert - und das wäre schlecht für ihn und das Land gewesen."

 

Das ist der Machtmensch Dick Cheney, wie er leibt und lebt. Als Drahtzieher im Hintergrund hat er sich immer am wohlsten gefühlt und dabei alle verhängnisvollen Entscheidungen der Regierung Bush kräftig beeinflusst. Ob der Angriff auf den Irak oder die Folter von Guantánamo - der erzkonservative Cheney forderte immer den härtesten Kurs.

George W. Bush und der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld haben bereits dicke Rechtfertigungsbücher vorgelegt. Doch was das selektive Gedächtnis und den totalen Mangel an Selbstkritik angeht, übertrifft der Ex-Vizepräsident sie alle. "Cheney schreibt, dass die Befreiung des Irak der größte politische Erfolg der Präsidentschaft von George Bush war", schreibt die "New York Times" entsetzt: "Guantánamo nennt er ,sicher, gut geschützt und human'." Und die "Washington Post" fasst den Tenor so zusammen: "Wenn dieses Buch von einer intelligenten Person gelesen würde, welche die letzten zehn Jahre auf dem Mars verbracht hat, dann würde sie nicht die leiseste Vorstellung davon bekommen, dass Dick Cheney der Vizepräsident einer der unglückseligsten amerikanischen Regierungen der modernen Geschichte war."

Fehler haben, wenn überhaupt, nur andere gemacht

Überraschen kann das nicht. Cheney hat schon kurz nach Barack Obamas Amtsantrit im Gegensatz zu dem sich vornehm zurückhaltenden Bush die Bilanz seiner Regierung grimmig verteidigt. Fehler haben, wenn überhaupt, nur andere gemacht. Und so bekommen die Außenminister der Regierung Bush, der frühere Generalstabschef Colin Powell und Condoleezza Rice ihr Fett weg. Beide sind für Cheney nicht hart genug. Powell habe beispielsweise im ersten Golfkrieg zunächst keinen genügend aggressiven Feldzugplan vorgelegt, und Rice habe sogar mit den unzuverlässigen Nordkoreanern vertrauensselige Deals eingefädelt. Cheney offenbart, dass er neben dem Angriff auf den Irak auch noch Attacken auf Nuklearanlagen in Syrien und im Iran empfohlen habe - aus seiner Sicht leider vergeblich.

Wer den ersten Teil des Buches liest, in dem Cheney seinen jahrzehntelangen politischen Werdegang beschreibt, der versteht, dass er Politik als brutalen Kampf zur Durchsetzung von Interessen versteht. Tiefere Reflexionen darüber, warum der aus einer Familie von Demokraten stammende Politiker zum erzkonservativen Republikaner wurde, lässt er nicht erkennen. Wenigstens bleiben dem Leser so moralische Ergüsse erspart, wie sie George W. Bush in sein Buch eingeflochten hat. Wenn der Ex-Präsident beschrieb, wie er dem Alkohol abschwörte, dann redete er von göttlicher Fügung. Wenn hingegen Cheney die Kneipenexzesse seiner Jugend hinter sich lässt, dann tut er das, weil er merkt, dass er anders keine Karriere machen kann.