Star-Redner Wolfgang Bosbach reißt die 1500 aus dem ganzen Land angereisten Christdemokraten zu Begeisterungsstürmen hin.

Fellbach - Sekundenlang sitzt der Schock tief bei den Christdemokraten in der riesigen Halle, manche seufzen, andere schauen bedröppelt, die Stadtkapelle Fellbach intoniert einen Trauermarsch. Denn: „Dies war der allerletzte politische Aschermittwoch der CDU in Fellbach“, dröhnt Kreischef Joachim Pfeiffer aus Urbach ins Mikrofon, dass es auch knapp 100 Meter entfernt im Stehbereich der Alten Kelter noch bestens zu verstehen ist.

 

Die Erleichterung folgt kurz danach, als hinter dem Rednerpult ein CDU-Model auftaucht und ein großes Plakat in die Höhe hält: „Fake News“. Alles Lüge also – ein gelungener Gag Pfeiffers mit Anspielung auf die alternativen Fakten des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Erst recht, nachdem Pfeiffer zudem die angesichts historischer Vorbilder etwas seltsam anmutenden Frage stellt: „Wollt ihr, dass der Politische Aschermittwoch auf ewig in Fellbach bleiben soll?“ Und ihm dann das erhoffte tausendfache „Ja, ich will!“ entgegenschallt.

Viele der mehr als 1500 CDU-ler sind in Bussen zur Reise ins Vordere Remstal gestartet

Somit steht fest: Auch künftig wird am Mittwochvormittag in den Faschingsferien der Parksuchverkehr die Straßen rund um die Alte Kelter verstopfen und manche Einfahrt blockieren. Polizei und Ordnungsamt versuchen dann, der Lage irgendwie Herr zu werden. Was nicht immer gelingt: Vor einigen Jahren, weiß ein Rathausbeamter, mussten an der Untertürkheimer Straße die schweren Limousinen des VICs (der „Very Important Christdemokraten“) von der Busparkbucht genau gegenüber dem Haupteingang entfernt werden.

Im Saal ist die Stimmung bei Weißwurst, Weizen oder Fellbacher Viertele bestens. Viele der mehr als 1500 CDU-ler sind in Bussen am frühen Morgen zur Reise ins Vordere Remstal gestartet, etwa aus dem Zollernalbkreis oder vom Bodensee. Und viele „halten uns hier seit 15 Jahren die Treue, ohne ein einziges Mal gefehlt zu haben“, jubelt Landeschef Thomas Strobl angesichts des „proppenvollen Saals“. Pfeiffer allerdings räumt ein: „Wir hatten in der Vergangenheit schon mehr Besucher.“ Doch aus feuerpolizeilichen Gründen wurde die Zahl begrenzt, „sodass wir einige Hundert abweisen mussten“.

Nicht leer ausgegangen bei der Kartenvergabe ist die gut 50-köpfige Fellbacher CDU-Delegation, unter ihnen Stadtverbands- und Fraktionschef Hans-Ulrich Spieth sowie Ex-OB und Parteifreund Christoph Palm. Sie alle dürften zufrieden sein, denn ihre Plätze im vorderen Drittel bieten beste Perspektiven. Der Fellbacher Stadtverband beteiligt sich im Übrigen auch an der Organisation, indem er das Personal für die Garderobe stellt.

Erstmals als „Hausherrin“ begrüßt wird Gabriele Zull – die Oberbürgermeisterin sitzt allerdings im Bereich der kommunalen Ehrengäste bei OB-Amtskollegen wie Frank Nopper (Backnang) oder Helmut Holzwarth (Winnenden) – beide übrigens anders als Zull Parteimitglieder. Ebenfalls unter den Ehrengästen befinden sich beispielsweise der ungarische Honorarkonsul und frühere Landtagsabgeordnete Rolf Kurz aus Schmiden oder VfB-Chef Wolfgang Dietrich – „im nächsten Jahr sicher wieder als Präsident eines Bundesligisten“, wie Pfeiffer fordert.

Wolfgang Bosbach, Spitzenreiter in der Gästeschar der deutschen TV-Talkshows

Beste Sicht ist allen Gästen im Saal dank der vier installierten Leinwände garantiert. Das hat einen kuriosen Effekt: Wenn man von hinten zur Bühne guckt, sieht man in Echtzeit den Redner gestikulieren, dann im Zehntelsekundenabstand jeweils die Bilder auf der Leinwand über der Bühne und den drei weiteren im Mittelgang.

Genau durch diesen Mittelgang marschiert denn auch, hinter dem Feuerwehr-Spielmannszug aus Weinstadt, der Ehrengast ein: Wolfgang Bosbach, Spitzenreiter in der Gästeschar der deutschen TV-Talkshows. „Wie schön, dass du von der Wahl zur Miss Germany direkt in die Alte Kelter gekommen bist“, scherzt Pfeiffer, während Dutzende Berufs- und Hobbyfotografen ihre Kameras in die Höhe halten. Bosbach hat übrigens, anders als die meisten der CDU-Spitzenkräfte und männlichen CDU-Mitglieder im Saal, keinen Janker an, sondern ist im normalen Ausgehanzug mit Krawatte erschienen.

„Ihn nach Fellbach zu bekommen ist wie ein Sechser im Lotto“, kündigt Strobl den überzeugten Karnevalisten und vielgefragten Redner an: „Einem Rheinländer wie dir ist das Veranstaltungsformat geradezu auf den Leib geschneidert“, Bosbach werde „den Saal rocken“, verspricht Strobl und ergänzt, erneut im Trumpschen Modus: „Make Aschermittwoch great again!“

Bosbach stellt allerdings zunächst mal klar: „In Medienberichten wurde ich als Quälgeist der Kanzlerin, als Revoluzzer angekündigt – vergessen Sie das alles: Ich bin zu 100 Prozent CDU.“ In seiner mehr als 90-minütigen Rede fordert Bosbach, dass die Polizei mehr Unterstützung verdient hätte. Er spricht über Terroristen und Salafisten und erklärt, dass „wer Erdogan zujubeln möchte, das bitte in der Türkei tun soll“.

Und er hat auch Scherze über landsmannschaftliche Gepflogenheiten auf Lager. „Die Menschen aus dem Ländle denken beim Aufstehen: Was mache ich heute? Der Rheinländer denkt beim Aufstehen: Was mache ich heute Abend?“ Hernach sind nicht nur die hiesigen Christdemokraten zufrieden: So einer wie der bald 65-Jährige passt genau zum Politischen Aschermittwoch, der offenkundig Fellbach zum Glück der Basis nie mehr verlassen wird.