Eine Biografie und Festtage in Stuttgart ehren den Ballettstar Egon Madsen zu seinem siebzigsten Geburtstag. Der Däne hat die Stuttgarter Tanzszene der letzten Jahrzehnte mitgeprägt.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Dieser Mann kann auch ein ganz schöner Schlumpf sein! In der spannenden Biografie, die Dagmar Ellen Fischer gerade im Leipziger Henschel Verlag veröffentlicht hat, gibt Egon Madsen jede Menge Anekdoten aus fünf Jahrzehnten Tänzerkarriere zum Besten. Unser Lieblingsstück stammt dabei aus dem Jahr 1980; damals war die Amerikanerin Gelsey Kirkland zu Gast in Stuttgart; sie sollte gemeinsam mit Madsen in John Crankos „Romeo und Julia“ tanzen.

 

Der Star aus USA fremdelte offenbar etwas mit der Stuttgarter Kompanie und deren starkem Gefühl der Zusammengehörigkeit. Vor allem war sie es nicht gewohnt, so Madsen, dass hier auch in den Proben technisch bereits alles gegeben wurde; „sie hingegen wollte im Ballettsaal nur andeuten“. Kurzum: Die kapriziöse Julia nervte. Und Romeo sann auf Rache: „Da riss mir die Geduld. Ich tanzte als Romeo alles voll aus – und küsste sie auch dementsprechend, nicht nur angedeutet“, sondern voll auf Zunge. Das gab Tränen.

Höhepunkt am Freitag im Theaterhaus

Am 24. August wurde Egon Madsen siebzig Jahre alt. Zum Beginn der neuen Saison richtet ihm das Stuttgarter Theaterhaus nun ein großes, gleich mehrtägiges Geburtstagsfest aus. Am morgigen Donnerstag um 19.30 Uhr wird bei einer öffentlichen Probe das Buch „Egon Madsen – ein Tanzleben“ präsentiert. Am Samstag (29. September) gibt Gruppo Musicale Assurd ein Festkonzert für Madsen – Tanzfreunde wissen, dass dieses kraftvolle italienische Sängerinnenquartett die Musik für Mauro Bigonzettis Choreografie „Cantata“ beisteuert, in der Madsen zuletzt auf der Stuttgarter Bühne zu erleben war.

Der Höhepunkt wird aber sicher am Freitagabend in der großen Theaterhaushalle zu erleben sein. Zu einer Gala vereinen sich dann nicht nur die beiden Stuttgarter Tanzkompanien, das große Staatsballett und das etwas kleinere Gauthier Dance. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit Tänzern der legendären Formation Nederlands Dans Theater 3. Egon Madsen war von 1999 bis zur Auflösung 2006 der künstlerische Leiter dieser Truppe für die, salopp gesagt, reiferen Tanzsemester.

Der Pragsattel ist Madsens zweite Heimat

Dass die Landeshauptstadt dem tanzenden Dänen einen derart großen Bahnhof bereitet, erscheint nur recht und billig. Im Quartett mit Marcia Haydée, Birgit Keil und Richard Cragun stand Egon Madsen in den sechziger und siebziger Jahren maßgeblich für das Stuttgarter Ballettwunder. Und nach vielen Zwischenstationen kreuz und quer in der Ballettwelt – in Dagmar Ellen Fischers Buch höchst unterhaltsam nachzulesen – baut Madsen seit 2007 am zweiten Stuttgarter Tanzwunder mit: als Coach, Berater, Unterstützer und Mittänzer bei Gauthier Dance, der Theaterhaus-Kompanie. Madsens Heim steht zwar inzwischen in Italien, doch zweifellos darf man längst von einer zweiten Heimat auf dem Stuttgarter Pragsattel sprechen. Und dies umso mehr, seitdem der Däne im Frühjahr mit seinem Rollendebüt als Hexe Madge in „La Sylphide“ auch wieder einen festen Platz beim Staatsballett unten im Talkessel bekommen hat.

„Wenn Egon im Haus arbeitet, verändert sich die Atmosphäre“, meint der Theaterhausintendant Werner Schretzmeier in der Madsen-Biografie. Man ahnt, was das heißen soll: da kommt ein harter, ernsthaft schaffender Künstler. Aber es gibt auch garantiert immer etwas zu lachen. Eigentlich will dieser Däne nämlich einfach nur tanzen. Und in Stuttgart lässt man ihn.