Dass im Eichenhain immer noch Bäume gefällt werden, ärgert viele Bürger in Stuttgart-Sillenbuch. Einige treibt die Sorge um, dass so lang gerodet wird, bis nichts mehr da ist. Es kursieren sogar wilde Gerüchte im Stadtbezirk...

Sillenbuch - Die Kreuze in Neongelb an der Rinde sind unübersehbar. Hier ist eines und am nächsten Baum, etwas weiter, noch eines. Günter Schönfeld und Hans-Ulrich Jaeger stehen ratlos davor. „Das muss man sich fragen: Wieso zerstört man gesunde Bäume?“, sagt der Riedenberger Günter Schönfeld, während seine Augen zwischen den grellen Markierungen und einem Stapel Stämme wandern.

 

Im Herbst sind zur Empörung vieler Anwohner im Eichenhain im großen Stil Bäume gefällt und Sträucher entfernt worden, und dieser Tage brummen wieder Motorsägen im Naturschutzgebiet zwischen Riedenberg und Sillenbuch. „Aktuell laufen noch bis zum Ende der vegetationsfreien Zeit, spätestens bis 28. Februar, Rodungsmaßnahmen“, bestätigt Martin Thronberens, ein Sprecher der Stadt. Die Arbeiten seien während der durchweg sehr feuchten Witterung zwischen November und Januar unterbrochen worden und würden nun zum Abschluss gebracht. Und auch im März könne es noch sein, dass Aufräum- und Häckselarbeiten anstünden.

Die prägnanten Eichen sollen erhalten werden

Zum Frieden im Bezirk trägt das sicher nicht bei. Dass Behörden und Naturschutzverbände wiederholt die Wichtigkeit der Naturschutzmaßnahme zum Erhalt der prägnanten Eichen, des im Stadtgebiet einzigartigen Magerrasens sowie des Lebensraums für spezialisierte Tiere wie den gefährdeten Neuntöter betont haben, ebenso wenig. „Was mich am meisten umtreibt, ist das Rumgeeiere mit Argumenten“, sagt Hans-Ulrich Jaeger (75). Einerseits werde gesagt, dass manche Eichen zu eng stünden und sich behinderten, dann aber würden freistehende und gesunde Riesen geschlagen – während Baumruinen stehen blieben, moniert er und zeigt auf einen toten Baum. Die Magerrasen-Felder seien durch schweres Gerät ramponiert worden, haben die Männer beobachtet. Ohnehin, findet Hans-Ulrich Jaeger, wird „dem Ziel Magerrasen alles untergeordnet“. Er zeigt zur Mittleren Filderstraße. Sicht- und Schallschutz seien passé. „Dass hier mal ausgedünnt gehört, da bin ich absolut dabei“, sagt er, „aber Auswahl, Vielzahl und Begründungen leuchten mir nicht ein“.

„Hat sich ein Maikäfer beschwert?“

Im Eichenhain verbleiben noch genügend Gehölze, heißt es indes aus dem Rathaus. Überwiegend Hainbuchen, Rotbuchen, Ahorn und Eschen habe man gefällt. Die alten Eichen, die das Gebiet prägen, „sind keinesfalls Bestandteil der Rodungsmaßnahmen, im Gegenteil dienen die Rodungen im oberen Teil des Naturschutzgebietes auch dem Erhalt dieser Alteichen“, betont Martin Thronberens. Jene Eichen, die gefällt wurden, seien überwiegend jüngere gewesen, zwischen 40 und 60 Jahre alt. Viele hätten bereits Schädigungen und Krüppelwuchs gezeigt. „Der einzige alte Baum, der im Zuge der Pflegemaßnahmen weichen musste, war eine Amerikanische Roteiche. Dieser nicht einheimische Baum kann zum Beispiel durch einheimische Insekten kaum genutzt werden“, sagt der Sprecher der Stadt.

„Das ist so ein Argument. Hat sich ein Maikäfer beschwert?“, unkt indes Hans-Ulrich Jaeger und schaut auf den Stumpf herab. Und was sei mit den Igeln und Füchsen, die hier gelebt hatten, fragt Günter Schönfeld (67), „die sind alle heimatlos“.

Es halten sich hartnäckig Gerüchte

In Riedenberg halten sich hartnäckig Gerüchte, wonach die Bäume für Neubauten weichen mussten. „Viele haben Angst, dass der Eichenhain so ausgedünnt wird, dass er kein Schutzgebiet mehr ist“, hat Günter Schönfeld erfahren. Im Rathaus weist man das weit von sich. „Keinesfalls entsteht Bauland. Im Gegenteil werden die Maßnahmen für den Naturschutz und das Naturschutzgebiet durchgeführt“, entgegnet Martin Thronberens.

Viele Gegner beruhigt das wohl wenig. Das Kind ist für sie in den Brunnen gefallen, die Bäume sind weg. Und eine Frage bleibt: Geht es im Herbst so weiter? Nein, heißt es aus dem Rathaus. „Die Erstpflege ist damit abgeschlossen“, teilt Martin Thronberens mit. Dieses und in den kommenden zwei Jahren werde eine intensive Nachpflege durch Mahd nötig sein, auch Wurzelstöcke müssten noch entfernt werden, um die beweidbare Fläche zu erweitern. Denn künftig sollen nur die vierbeinigen Gärtner im Eichenhain arbeiten.