Im Rathaus wartet man noch immer auf einen zweiten Gesprächstermin mit den finanziell angeschlagenen Eigentümern der ehemaligen IBM-Zentrale. Die Stadt hatte signalisiert, in das Projekt einsteigen zu wollen. Aber es gibt auch andere Interessenten.

Obwohl die finanzielle Situation beim angeschlagenen luxemburgischen Immobilienkonzern Adler-Group und dessen Tochter Consus Real Estate immer dramatischer zu werden scheint, gibt es bisher noch immer keinen weiteren Gesprächstermin der Investoren mit der Rathausspitze. Die Stadt hatte bekanntlich signalisiert, das Consus-Wohnungsbauprojekt auf dem Eiermann-Areal in Stuttgart-Vaihingen gegebenenfalls übernehmen zu wollen. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es zudem weitere Interessenten.

 

Adler-Tochter Consus hat Schulden von bis zu 800 Millionen Euro

Unterdessen berichtet der Branchendienst Thomas Daily, die Adler-Tochter Consus habe zum Stichtag 30. Juni 2022 Schulden von 760 Millionen bis 800 Millionen Euro angehäuft. Eine aktualisierte Geschäftsplanung und die Neubewertung der Ausfallrisiken von Forderungen aus dem Verkauf von Entwicklungsprojekten führe zu „einmaligen, nicht cash-wirksamen Wertberichtigungen und einem negativen Eigenkapital“ in der genannten Höhe, hatte das Unternehmen laut Thomas Daily bereits am Freitag mitgeteilt. Schon im Mai hatte Consus in einer Verlustanzeige auf Abschreibungen und ein voraussichtliches negatives Eigenkapital hingewiesen. Gemeinsam mit der Hauptaktionärin Adler Group würden nun weiter Sanierungsmaßnahmen geprüft.

Mitte August hatten sich Vertreter des Mutterkonzerns Adler und der Tochter Consus mit Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) zu einem ersten Austausch im Rathaus getroffen. Bei dem Treffen hatte Pätzold die Absicht der Stadt unterstrichen, in das derzeit ruhende Immobilienprojekt einzusteigen – gegebenenfalls auch in Kooperation mit den Eigentümern. Die Investoren wiederum hätten ihre Absicht betont, das zweitgrößte Wohnungsbaugebiet nach dem geplanten Rosensteinquartier weiter verfolgen zu wollen. Allerdings hat Adler in anderen deutschen Städten bereits einige Liegenschaften und Projekte veräußert, um die Konzernbilanz aufzubessern. Im Herbst wollten sich beide Seiten dann noch einmal zusammensetzen.

Auch Immobilienunternehmen interessieren sich für Eiermann-Campus

So lange liegt der Bebauungsplan für die 200 000 Quadratmeter umfassende frühere IBM-Zentrale am Autobahnkreuz Stuttgart auf Eis. Der Baubürgermeister hatte das Verfahren im Mai nach Bekanntwerden der finanziellen Turbulenzen bei der Adler-Group gestoppt, um zu verhindern, dass das Grundstück im Wert steigt und dann im Fall einer Insolvenz des Konzerns von der Stadt zu einem überteuerten Preis angekauft werden müsste. Immobilienexperten beziffern den Bruttoinventarwert des Geländes – also jenen Wert, der rechnerisch die Substanz eines Fonds aus Sicht des Anlegers darstellt – auf rund 280 bis 300 Millionen Euro – ohne gültigen Bebauungsplan. Das Investitionsvolumen wird auf rund eine Milliarde Euro taxiert. Inzwischen gibt es nach Recherchen unserer Redaktion auch seitens der privaten Immobilienwirtschaft Interesse an einem möglichen Ankauf des Areals. Demnach sollen mehrere Wohnungsbauunternehmen bereits den Finger gehoben haben, falls es zu einem Verkauf des Objekts kommen sollte. Auch ein Käufer-Konsortium unter Beteiligung der Stadt gilt als mögliche Option. Doch dazu müsste Adler respektive Consus zunächst einmal die Bereitschaft bekunden, sich vom Eiermann-Campus zu trennen oder eine Partnerschaft einzugehen.

Der Eiermann-Campus war von 1972 bis 2009 die Hauptverwaltung von IBM Deutschland. Nach den bisherigen Plänen sollen auf dem Areal einmal rund 4000 Menschen wohnen und arbeiten. Highlight der Pläne ist das sogenannte Schleifenhaus mit Studentenwohnungen, das zugleich als Lärmschutzriegel fungieren soll.