Die Stadt strebt einen Forschungsstandort an, auf dem Mitarbeiter und Studenten arbeiten und wohnen. Auch das Fraunhofer-Institut hält das Konzept für zukunftsträchtig. Der Insolvenzverwalter, an dem vieles hängt, schweigt sich dagegen aus.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - OB Fritz Kuhn (Grüne) möchte auf dem Gelände der ehemaligen IBM-Zentrale in Vaihingen einen Forschungsstandort entwickeln, auf dem Wohnen und Arbeiten in neuer Weise verbunden seien. Dies sagte er am Dienstag bei der ersten Präsentation des „Rohlings“, wie er das neue Konzept für das knapp 20 Hektar große Gebiet an der Autobahn  8 bezeichnete. Vor allem Mitarbeiter der Forschungseinrichtungen und Studenten könnten dort auch Wohnungen finden – das erhöhe die Lebensqualität und verringere den Verkehr, so Kuhn. Er plane, solche Konzepte in allen Baugebieten Stuttgarts, wie im Neckarpark, zu prüfen.

 

Wilhelm Bauer vom Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation unterstützt Kuhn in diesem Vorhaben. Seit Langem forsche sein Institut an den Wohnformen von morgen: „Das Konzept, auf dem IBM-Gelände etwas Zukunftsfähiges zu bauen, ist in herausragender Weise gelungen“, sagte Bauer. Er hat das dreitägige Kolloquium geleitet, bei dem alle Beteiligten einen Konsens erarbeitet haben.

In anderen Quartieren in Stuttgart ist die Bebauung dichter

Dieser Konsens sieht vor, die vier denkmalgeschützten Gebäude des Architekten Egon Eiermann aus den späten 1960er Jahren zu sanieren. Der Aufwand liege bei etwa 100 Millionen Euro, so Kuhn. Um diese Kosten zu finanzieren, wird das Areal mit 13 Gebäuden (140 000 Quadratmeter Geschossfläche) bebaut. Der Oberbürgermeister räumte am Dienstag ein, dass die Bebauung in diesem Umfang notwendig sei, um das Gesamtprojekt wirtschaftlich zu machen. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) betonte, dass die überbaute Fläche 40 Prozent des Areals umfasse: „Das Step in Vaihingen liegt bei 60 Prozent.“

Ein Unsicherheitsfaktor ist nach wie vor die Insolvenzverwaltung. Deren Vertreter waren beim Kolloquium dabei, hätten aber kein Urteil über das Konzept abgegeben, so Kuhn. Die Agentur Dictum law, die für die Insolvenzverwalter und die Gläubigerbank DG Hyp spricht, äußert sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht. Es ist deshalb unklar, ob die Gebäude derzeit weiter unterhalten und beheizt werden – der Insolvenzverwalter hatte im Frühjahr angekündigt, die Gebäude sich selbst zu überlassen. Da die Stadtverwaltung sagte, dass die Zeit dränge, hat der Insolvenzverwalter diese Androhung wohl noch nicht zurückgenommen. Man werde schnell Gespräche führen, so die Stadt, da der Winter nahe.

Gläubigerbanken wollen ihr Geld zurückhaben

Die dichte Bebauung ist aber vermutlich auch notwendig, weil die Gläubigerbanken ihr Geld wiederhaben wollen, das sie dem früheren Eigentümer CB Richard Ellis als Kredit gegeben haben. Wie man hört, lag der Kaufpreis bei 83 Millionen Euro und sei völlig überhöht gewesen. Kuhn sprach in anderem Zusammenhang ebenfalls davon, dass sich Ellis „verspekuliert“ habe; auf die Verbindung zwischen Bebauung und Krediten mochte er nicht eingehen. Für ihn sei wichtig, sagte er, dass kein öffentliches Geld auf dem IBM-Gelände investiert werde. Man suche einen Investor.

Der Gemeinderat soll bereits am 26. September einen Grundsatzbeschluss treffen. Dann würden Gespräche mit den Insolvenzverwaltern und potenziellen Investoren geführt und die Planung verfeinert. Die notwendige Änderung des Bebauungsplanes könne aber bis zu 18 Monaten dauern, sagte Hahn; erst dann könnte mit dem Bau der neuen Gebäude begonnen werden. Möglich ist es, die Eiermann-Pavillons schon früher zu sanieren.

Das Abholzen des Waldes ist für den Gemeinderat ein Problem

Trotz der grundsätzlichen Zustimmung der meisten Fraktionen im Gemeinderat wird es aber noch einiges zu diskutieren geben. Der Wald könnte sich als Hauptproblem herausstellen, heißt es aus einer Fraktion. Nach derzeitigem Stand ist es nicht ausgeschlossen, dass für die Neubauten ein Teil des lichten Kiefernwalds abgeholzt werden muss. Bürgermeister Hahn sagte am Dienstag, dass es „eine große Kunst“ werden würde, in Stuttgart die vorgeschriebenen Waldersatzflächen zu finden: „Am besten wäre es, wir müssten den Wald nicht antasten.“

Wolfgang Voegele, der Vorsitzende der Egon-Eiermann-Gesellschaft, war beim Kolloquium dabei und trägt das Konzept mit. Die Parkanlage, die ebenfalls unter Denkmalschutz steht, dürfte sehr stark angegriffen werden: „Aber es war allen klar, dass Abstriche notwendig sein würden, um die Gebäude zu retten“, so Voegele. Die Fraktion der Freien Wähler begrüßt das Konzept im Grundsatz ebenfalls, hat aber in einem Antrag schon elf Fragen formuliert. Darin geht es ebenfalls um den Wald, um den Lärm der nahen Autobahn, um die Nahversorgung des großen Gebietes oder um die ÖPNV-Anbindung. Die Fragen sind berechtigt, findet auch OB Fritz Kuhn: „Es gibt noch viele Punkte, die zu klären sind.“