Das von Egon Eiermann entworfene Ensemble in Vaihingen ist dem Verfall preisgegeben. Wasser dringt ein, Scheiben gehen kaputt. Ob Borgward Interesse an dem Campus hat, bleibt unklar. Nun will auch eine der Gläubigerbanken die Zwangsversteigerung.
Stuttgart - Die Fotos, die der Architekt Oliver Sorg vor kurzem in der früheren IBM-Zentrale in Vaihingen aufgenommen hat, sind Besorgnis erregend: An vielen Decken hat sich Schimmel festgesetzt, weil die Dächer undicht sind und Wasser eindringt; auch kaputte Scheiben, zerfledderte Markisen und vermooste Teppiche hat der Architekt dokumentiert.
Mehr als fünf Jahre steht das denkmalgeschützte Gebäudeensembles des Stararchitekten Egon Eiermann jetzt leer, und es verfällt sichtbar immer mehr. Aber eine sichere Perspektive gibt es nach wie vor nicht. Die Architektenkammer hat deshalb in einem offenen Brief an die Stadt Stuttgart appelliert, unverzüglich Reparaturmaßnahmen zu veranlassen, auch wenn der Stadt die Immobilie gar nicht gehöre. Da das Areal ein „Architekturdenkmal der deutschen Nachkriegsmoderne von nationaler und internationaler Bedeutung“ sei, könne man eine solche öffentliche Investition wirtschaftlich und politisch rechtfertigen, so die Architektenkammer. Bürgermeister Michael Föll lehnt das ab: „Selbst wenn wir wollten, dürften wir das nicht.“
Nichts Neues von den Borgward-Plänen
Etwas Hoffnung ist zuletzt aufgekeimt, weil sich das Unternehmen Borgward – die Automarke war 1961 in Konkurs gegangen und soll nun wiederaufstehen – für die Gebäude interessiert hat. Im März hatten Christian Borgward, der Enkel des einstigen Firmengründers Carl F. W. Borgward, und der frühere Daimler-Mitarbeiter Karlheinz Knöss auf dem Genfer Automobilsalon verkündet, dass Stuttgart der Firmensitz werden soll, zumindest für Verwaltung und Forschung. Mit im Boot ist die wirtschaftlich potente chinesische Firma Beiqi Foton Motor Company. Tatsächlich waren schon im Dezember Anwälte von Foton zu Gast im Stuttgarter Rathaus. Man habe den Anwälten aber lediglich die Situation in Vaihingen dargestellt, sagt Baubürgermeister Matthias Hahn; Verabredungen seien nicht getroffen worden.
Ob Borgward am Plan, in das IBM-Areal einzuziehen, festhält, ist nicht bekannt; Karlheinz Knöss will mit der StZ nicht mehr sprechen, weil er mit deren Berichterstattung über Borgward nicht einverstanden ist. Und Michael Föll betont, dass zumindest auf ihn niemand mehr von Borgward zugekommen sei. Gerüchteweise hat Borgward vorerst Büroräume im neuen City Gate am Hauptbahnhof gemietet; eine Bestätigung gibt es dafür aber nicht. Tatsächlich müssten die Eiermann-Gebäude ja zunächst saniert werden, was mehrere Jahre dauern dürfte. Erst dann könnten dort Borgward-Mitarbeiter einziehen.
Gläubigerbank strebt Zwangsversteigerung an
Inwieweit dies realistisch ist, kann extern derzeit niemand einschätzen. Die Pläne Borgwards, in zehn Jahren so viele Autos wie Mercedes zu verkaufen, nämlich 1,6 Millionen Stück pro Jahr, bezeichnen manche Beobachter allerdings als „tollkühn“ oder gar als „größenwahnsinnig“. Von der Fläche her könnten 4000 Mitarbeiter auf dem Areal ihren Arbeitsplatz finden; das wäre durchaus die Größenordnung, die Borgward bräuchte, wenn es die Pläne verwirklichen könnte. Zudem hatte die Stadt Stuttgart schon vor knapp zwei Jahren ein Konzept erstellt, nach dem es möglich wäre, weitere Gebäude für Gewerbe und Wohnen auf dem Gelände zu errichten.
Alles steht und fällt nun jedenfalls damit, einen Investor für das Gelände zu finden. Die rechtliche Situation ist nicht ganz einfach. Die frühere IBM-Zentrale gehörte der Firma CB Richard Ellis, die aber in Konkurs gegangen ist. Der Insolvenzverwalter hat das Gelände dann im März 2014 freigegeben, weil er die Immobilie nicht vermarkten konnte. So ist der Stadt Stuttgart nun eine Pflicht zur minimalen Sicherung des Areals zugefallen. Laut der Stadt habe die wichtigste Gläubigerbank, die DG Hyp in Hamburg, vor kurzem die ausstehende Grundsteuer bezahlt, um der Zwangsversteigerung durch die Stadt zu entgehen. Der Sprecher der DG Hyp, Uwe Kirchner, betonte nun aber auf Anfrage, die Bank betreibe gerade selbst ein Verfahren zur Zwangsversteigerung, um einen Teil der verlorenen Kredite auszugleichen.