Die Menschen sind nicht gleich. Sie sind verschieden: klug oder dumm, frech oder bescheiden, gut oder böse. Die Frauen wurden nichtzu Männern, als sie das Wahlrecht zugestanden bekamen. Dennoch gehört die Gleichheit,dieses Kind der Aufklärung, zu den elementaren Postulaten entwickelter Demokratien. Die so verschiedenen Menschen sollen wenigstens vor dem Gesetz gleich sein, gleiche Rechte und Pflichten haben. One man, one vote. Im Wahlrecht ist das ganz selbstverständlich, überall dort, wo es um den Einfluss des Einzelnen auf die Gesellschaft und den Staat geht. Natürlich stimmt es aber dort nicht, wo es – umgekehrt – um den Umgang der Gesellschaft mit demEinzelnen geht. Es wäre furchtbar. Der Millionär hat keinen Anspruch auf Hartz IV; die Progression, also die ungleiche Besteuerung, ist eine Voraussetzung dafür, dass die Gesellschaftinsgesamt sich ihrem Ideal der Gleichheit ein bisschen annähern kann. Ungleichbehandlung ist also die Bedingung für mehr Chancengleichheit. Was aber ist mit all denen, die ihre Chancen nicht nutzen, weil sie zu träge sind oder aberzu schwach, zu wenig gewitzt? Die Forderung allein nach Gleichheit, selbst nach der Chancengleichheit, kann zutiefst ungerecht sein,wie wir gerade in der Krise sehen. Sie mussgestützt und ergänzt werden durch die Brüderlichkeit. Davon später.

 

Stefan Geiger