Stuttgart ist nicht Istanbul, auch wenn sich die Bilder gleichen: Mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserwerfern geht die Polizei gegen friedliche Demonstranten vor, die einen Park schützen wollen. Anfangs sind es nur wenige Menschen, die sich um die von einem Großprojekt gefährdeten Bäume sorgen, doch im Lauf der Zeit werden es immer mehr, bis sich am Ende hunderttausend Menschen auf Straßen und Plätzen versammeln. Sie kommen aus allen sozialen Milieus, sie sind Studenten und Arbeiter, Angestellte und Beamte, sie sind jung und alt, arm und reich – und auch Hausfrauen bringen sich zu Gehör und schlagen am offenen Fenster auf Töpfe und Pfannen. All diese Menschen weiten nach und nach ihren Protest aus und kämpfen schließlich nicht mehr nur für ihren Park im Herzen der Stadt, sondern auch gegen die Arroganz der Macht, die glaubt,die Menschen auf der Straße diffamieren und kriminalisieren zu können. Mit Hochachtung blicken wir in diesen Tagen auf den immer wieder umkämpften Taksim-Platz. Was wir dort sehen, sind Wutbürger – und dass der Stuttgarter Schlossgarten nicht der Istanbuler Gezi-Park ist, erkennt man auch daran, dass die deutschen Leitmedien diese aufmüpfigen Bürger jetzt nicht schmähen, sondern feiern. Türke in Resistanbul sollte man sein. Dann wäre man als Wutbürger neuerdings everybody’s darling.

 

Roland Müller