Ein gewisses Maß an Hybris ist der „Occupy Wall Street“-Bewegung nicht abzusprechen. „Wir sind die 99 Prozent“, lautete der vollmundige Slogan der Aktivisten, die im September 2011 – inspiriert von den spanischen „Indignados“ und dem Arabischen Frühling – den New Yorker Zuccotti-Park besetzten und damit weltweit Nachahmer fanden. Die Proteste richteten sich gegen wachsende soziale Gegensätze, gegen die Macht der Banken, vor allem aber gegen jenes ominöse eine Prozent der Finanzelite, deren „Gier“ als Ursache der globalen Krise ausgemacht wurde.

 

„Das Problem ist nicht Verderbtheit oder Gier, das Problem ist ein System, das Menschen dazu treibt, verderbt zuhandeln“, kritisierte der Philosoph Slavoj Zizek diese Verkürzung: Moralisierungen und Personalisierungen, die wohlfeile Suche nach dem kleinen und verschworenen Kreis Böswilliger, würden systemische Ursachen der Krise verdecken und seien Kennzeichnen einer Kapitalismuskritik, mit der auch Neonazis hausieren gingen.

Gleichwohl sei es das Verdienst von Occupy, die Hegemonie des „neoliberalen Modells“ gebrochen zu haben, meint der politikwissenschaftler Claus Leggewie. Und: dank Occupy sind David Graeber oder Mark Greif weltweit bekannt geworden, Intellektuelle also, welche die Frage aufwerfen, was Demokratie im 21. Jahrhundert heißen kann. Und das ist mitnichten eine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen man sich daran gewöhnt hat, dass Technokraten „durchregieren“.

Daniel Hackbarth