Gemeinsam führen die Mitglieder des kleinenZirkels das geliebte Accessoire spazieren und in der Gruppe können sie sich freuen, wenn sie mit ihren extravaganten Kreationen auf dem Kopf unterwegs regelmäßig Aufsehen erregen. Und jede Menge Anekdoten können die Hut-Clubberinnen auch erzählen.

Stuttgart - Ohne Hut ist eine Dame nicht gut angezogen. Ein Herr übrigens auch nicht. Doch um Ihn soll es hier nicht gehen. Denn im Hut-Club, den Gerda Mahmens 2013 gegründet hat, haben sich allein Damen zusammengefunden, die nie oben ohne gehen. Nicht mal in den nächsten Supermarkt.

 

So eine muntere aufgekratzte Runde trifft man nicht jeden Tag: Neun Frauen sind es an diesem Nachmittag ohne Anspruch auf Vollzähligkeit, die jüngste 52 und die älteste 95 Jahre alt. Und natürlich alle mit Hut. Und was für welche! Die würden auch auf der Rennbahn von Ascot Furore machen und sind beim Foto-Shooting im Schatten der Kirche S. Elisabeth im Stuttgarter Westen für die Passanten eine kleine Sensation. „So geht es uns immer“, erzählt Monika Küller (67), die an diesem Tag ein flaschengrünes Modell aus geflochtenem Stroh gewählt hat, das das Gesicht mit der runden Brille perfekt umrahmt und den dunklen Bubikopf hervor gucken lässt. Wo immer sie in der Gruppe auftreten, berichtet Monika Küller, ob beim Sommerfest, beim Weindorf, beim Ausflug auf die Mainau oder im Museum Würth in Schwäbisch Hall, immer erregten sie Aufsehen, ernteten bewundernde Blicke und würden fotografiert. Auch von jungen Männern. Aber bitte, gerne doch, die Damen werfen sich bereitwillig in Pose und hören dabei regelmäßig die Seufzer anderer Damen: Auch sie würden so gerne Hüte tragen, sie hätten so schöne Exemplare zu Hause im Schrank. „Und warum tun Sie’s dann nicht?“, fragen die gut Behüteten zurück. Weil sie sich nicht trauen, bekennen die meisten kleinmütig. Kein Mut zum Hut.

Gemeinsam trauen sich Frauen mehr

In einer solchen Situation, erzählt Gerda Mahmens, sei auch die Idee zur Gründung des Hut-Clubs entstanden. Sie war mit drei Freundinnen in einem Hutgeschäft in Lindau und traf dort auf ein Ehepaar. Die Frau wünschte sich einen Strohhut, doch der Gatte habe keinerlei Zustimmung oder gar Bewunderung erkennen lassen. Nach dem Motto: Wann willst Du so etwas denn tragen. Da habe sie selbst die Initiative ergriffen,erzählt die 61-Jährige. Sie habe den Ehemann vor die Tür komplimentiert, weil er die Laune verderbe, und vor allem der Dame Mut gemacht. Mit Erfolg. Gerda Mahmens aber beschloss mit ihren Freundinnen: „Wir gründen jetzt einen Hut-Club.“ Der war kaum publik gemacht, da meldeten sich schon 25 Aspirantinnen. Als hätte die Damenwelt nur darauf gewartet. „Gemeinsam trauen sich Frauen mehr. Außerdem haben sie so immer eine Gelegenheit, Hut zu tragen. Also: keine Ausreden mehr!“, konstatiert die Initiatorin.

Als Kind hat sie sehnsüchtig die Hüte in den Schaufenstern bestaunt

Gisela Skora bekennt, dass sie sich genau deshalb dem Club angeschlossen hat: Um ihre Hemmungen zu überwinden. Zwölf Hüte habe sie im Schrank gehabt und nie den Mut aufgebracht, sie aufzusetzen. Das ist vorbei, selbstbewusst führt die 74-Jährige ein elegantes schwarzes Modell spazieren. Monika Schöck (73) dagegen beherrscht den großen Auftritt auch solistisch seit jeher. Die Patentante in Coburg habe sie gleich mit Hut und Handschuhen stadtfein ausgestattet, „nachdem ich als Hungerkind von Berlin in die Bunderepublik gekommen bin“. Seither sei sie hoffnungslos süchtig nach Hüten. Die weiße Pillbox mit der Reiherfeder, für die sie sich als junges Mädchen die Nase an einem Ku’Damm-Schaufenster platt gedrückt hatte, durfte sie gleich aufsetzen und in Raten bezahlen – „40 Mark waren bei einem Monatslohn von 250 Mark ein Vermögen“, sagt sie. Und der Mann, den sie geheiratet hat, „kaufte mir leidenschaftlich gern Hüte“. Glück gehabt.

Aber auch Regina Benz hat nicht nur ihren Mann erfolgreich von der Unverzichtbarkeit dieses Accessoires überzeugt, die 52-Jährige fertigt in ihrer Hobby-Kreeativwerkstatt jetzt sogar selbst Hüte an. Und die 95-jährige Elvira Löffler, als Damenschneiderin sowieso stilsicher, huldigte immer schon der modischen Perfektion von Kopf bis Fuß. „Stellt Euch vor“, berichtet Marianne Hannemann ganz begeistert, „der Busfahrer, ein ganz junger Mann, sagte mir gerade, ich sei so elegant, so etwas würde man selten sehen.“ Recht hat er, der breitrandige Hut aus cremefarbener Organza ist das perfekte Highlight zum cremefarbenen Spitzen-Outfit der 78-Jährigen. „Das schönste Kompliment habe ich mal mitten auf der Königstraße bekommen“, fällt Marita Schroers ein. Sie weiß noch genau, was sie trug: „Einen weißen Rock, ein weißes Oberteil, alles ein bisschen verrückt, und dazu eine schwarz-weiße Kappe mit Applikationen. Aus Paris!“

Dauernd bekommen sie Komplimente

Die Hutcluberinnen können alle Geschichten von wunderbaren Komplimenten erzählen. Darum sollte man sich als Frau nicht länger darüber beklagen, man sei spätesten ab 60 nur noch Luft für die Herren. Einfach Hüte tragen! Denn ein Hut ist mehr als eine Kopfbedeckung. Mehr als ein Schutz vor Wind und Regen oder die Patentlösung am Bad-Hair-Day. Er setzt in Szene, er tut Wunder, verleiht Glamour, umgibt mit einer Aura, erschafft einen neuen Typ, eine Persönlichkeit, einen Star. In tadelloser aufrechter Haltung und unwiderstehlich. Hedda Hopper, die gefürchtete amerikanische Klatschkolumnistin aus den 30er und 40er Jahren, wusste ganz genau, warum sie täglich mit einem neuen und extravaganten Hutmodell auftrat. Und in Stuttgart zieht die Industriellenwitwe Vera Niefer als prominenteste Hut-Ikone stets alle Blicke auf sich.

Wie viele Hüte besitzen die Club-Schwestern? „Ah, mindestens 30“, tönt es im Chor. Sie würden sich in und auf den Schränken stapeln, denn es gebe keine Reise und keinen Ausflug, von dem man nicht mindestens ein neues Modell mitbringe. Oder sogar mehrere wie Monika Schöck aus New York – sie belasten ja kaum das Fluggepäck. Wie soll man zu Hause Platz schaffen? Man kann doch deshalb ein Prachtstück wie den entzückenden Canotier, 1968 schon bei Hut Hanne gekauft, nicht entsorgen. Undenkbar.

Neue Kreation in schwarz-weiß

Natürlich ist der Hut-Club vollzählig bei der Hutmodenschau der Landesinnung der Modisten vor kurzem im Foyer des Stuttgarter Opernhauses erschienen. Ganz große Oper, hutmäßig beurteilt. Und eine Premiere für die brandneue schwarz-weiße ausladende Kreation aus der Kreativwerkstatt von Regina Benz für Monika Schöck.

„Wir brauchen solche Kundinnen, die gern im Mittelpunkt stehen“, sagt Richard Lang, mit 79 Jahren der Nestor des Modistenhandwerks, dem der Hut-Club natürlich längst einen Besuch in seinem Atelier in Walldürn abgestattet hat. „Denn der Hut ist eine starke Aussage und muss selbstbewusst getragen werden.“ Das gilt für Herren“, betont Lang, „übrigens nicht minder.