In der Stadt am Atlantik soll im Zentrum zum ersten Mal kein geschmückter Christbaum aufgestellt werden – doch es regt sich Widerstand

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Bordeaux - Weihnachten ist das Fest der Besinnung und des Innehaltens. Gerade nach dem monströsen Pandemie-Jahr 2020, das bei vielen Menschen für Angst und böse Überraschungen gesorgt hat, sehnen sich viele nach ein paar friedlichen und unbeschwerten Tagen.

 

In der französischen Hafenstadt Bordeaux wird diese Hoffnung nach Ruhe und Eintracht allerdings nicht in Erfüllung gehen - was mit dem frischgewählten grünen Bürgermeister Pierre Hurmic zu tun hat. Der hat in diesen Tagen angekündigt, dass im Dezember kein Weihnachtsbaum im Stadtzentrum aufgestellt wird. Seine Begründung: er wolle keinen toten Baum, der auf einem Lastwagen quer durch Frankreich transportiert wurde.

Überrascht vom Aufschrei in der Bürgerschaft

Die Rathausspitze hatte allerdings nicht mit dem Aufschrei gerechnet, der nach der Ankündigung in der Bürgerschaft die Runde machte. „Wir sind überrascht von den vielen Kommentaren in dieser Sache“, gesteht Didier Jeanjean, der Stellvertreter des Bürgermeisters und er unterstreicht, dass das letzte Wort natürlich noch nicht gesprochen sei. Sollte eine Online-Petition, die von den Baum-Befürwortern ins Netz gestellt wurde, von den meisten Bürgern unterzeichnet werden, werde man im Rathaus in dieser Sache noch einmal intensiv beraten.

Die politischen Gegner blasen zum Angriff

Unterdessen wittert die politische Konkurrenz die erste Gelegenheit, dem neuen Stadtoberhaupt eins auszuwischen. An die Spitze der Kritiker hat sich der jüngst abgewählte Bürgermeister Nicolas Florian gestellt und lässt dabei erahnen, wie schmerzhaft die Wunden noch sind, angesichts der verlorenen Wahl gegen seinen grünen Herausforderer vor wenigen Monaten. „Als ich im Amt war“, sagt er, „habe ich aus Kostengründen die 80.000 Euro teure Schlittschuhbahn an Weihnachten abgeschafft.“ Der Weihnachtsbaum aber blieb stehen. Wenn der neue Bürgermeister keine toten Bäume möge, dann müsse er auch alle Häuser mit Holzkonstruktionen verbieten, polemisiert Nicolas Florian.

Die Baum-Befürworter sammeln Unterschriften

Die Einwohner von Bordeaux sind in Sachen Weihnachtsbaum zwiegespalten. Viele zeigen allerdings Verständnis und erklären, dass die 60 000 Euro, die der Baum kosten würde, in Kindergärten oder Schulen investiert werden könnten. Die Online-Petition der Befürworter mit dem Titel „Bordeaux will seinen Weihnachtsbaum behalten“ kommt dagegen nicht so richtig in die Gänge. In den ersten Wochen wurden rund 15.000 Unterschriften gesammelt. Bei knapp 250 000 Einwohnern scheint es also eher wahrscheinlich, dass im Zentrum der Stadt zum ersten Mal seit Jahrzehnten kein schön geschmückter Weihnachtsbaum die Herzen der Menschen erwärmen wird.