Ein Callboy über seinen Job „Ich liebe es, Frauen eine schöne Zeit zu bereiten“

Zwei Stunden mit Kevin kosten 500 Euro, eine Übernachtung 1500 Euro. Foto: privat

Frauen zahlen viel Geld, um Sex mit Kevin zu haben. Aber der Mann aus Dortmund sagt: Es geht um viel mehr als den Akt. Um Selbstwert etwa – und um das Neuentdecken der Lust.

Psychologie/Partnerschaft: Florian Gann (fga)

Kevin ist in einem Hotel aufgewacht. Es ist 11 Uhr vormittags, und eine Hotelkraft klopft gerade an die Tür, damit er das Zimmer frei macht, während wir telefonieren. Der Dortmunder, 42, 1,78 Meter groß, Sternzeichen Löwe, hat vergangene Nacht gearbeitet. Eine Frau hatte ihn für „Sweet Time“ gebucht, das ist die Chiffre für ein Treffen mit Sex. Kevin ist Callboy. Ein Job, bei dem es auch um gutes Zuhören geht.

 

Kevin, warum wird man eigentlich Callboy?

Ich hatte nach einer Trennung eine Dame über die Dating-App Tinder kennengelernt. Sie hat mir nach dem Date gesagt: „Du könntest gut als Callboy arbeiten.“ Ich hatte das schon öfter im Kopf gehabt, sie konnte mir einige offene Fragen beantworten, wie das funktioniert. Und ich bin gerne mit Frauen zusammen, ich liebe es, Frauen eine schöne Zeit zu bereiten. Als Escort habe ich einfach das Schöne mit dem Nützlichen verbunden.

Kevin heißt auch im echten Leben Kevin, Ehrensache, er ist ja kein Schauspieler. Nur den Nachnamen hält er geheim. Callboys wie er können über Plattformen gebucht werden. Kevin ist etwa auf callboyz.net und callboy-verzeichnis.com vertreten und hat eine eigene Homepage, callboy-kevin.com. High Class Service, Escort buchbar für Frauen und Paare, diskret und exklusiv, steht da. Zwei Stunden „Sweet Time“ kosten 500 Euro. „Social Time“, also nur die Begleitung, kostet für diese Zeit 300 Euro, aber nur ein kleiner Teil würde ausschließlich das buchen, sagt Kevin. Die meisten seiner Kundinnen sind zwischen 35 und 60 Jahre alt.

Wie lernt man, ein Callboy zu sein?

Ich hatte vor und nach einer langen Beziehung viele Dates. Dazu bin ich oft in Swingerclubs gegangen und habe schnell gemerkt, dass ich mich gut auf neue Situationen, neue Frauen oder neue Paare einstellen kann. Jede Frau hat einen anderen Körper und unterschiedliche Vorlieben. Darauf muss man achten, damit es ihnen gut geht. Es geht dabei wirklich um die Bedürfnisse der Frauen, und ich muss meine eigene Sexualität zurückstellen. Man kann auch einem frühzeitigen Orgasmus entgegensteuern, das ist erlernbar, das habe ich natürlich über die Jahre gemacht. Wenn ich schon nach ein paar Minuten kommen würde, hat die Frau wieder das Nachsehen, wie es bei den meisten Dates ohnehin der Fall ist.

Aus Callboy-Kreisen hört man immer wieder, die größte Herausforderung sei es, Frauen dazu zu bringen, ihre eigenen Wünsche in den Mittelpunkt zu stellen. Wie schaffen Sie das?

Ich biete den Frauen immer an, vorab mit mir zu sprechen, wo sie mir ihre Wünsche, Vorlieben und Fantasien mitteilen können. Alle wissen schon, was sie wollen, aber viele trauen sich das nicht auszusprechen und sagen, sie wollten das Treffen einfach auf sich zukommen lassen. Man muss gerade dann auch währenddessen immer wieder kommunizieren, ob es gefällt, was gerade passiert. Ich muss dafür sorgen, dass die Frau sich fallen lassen kann.

Kevin hat auf Callboyz.net 26 Bewertungen, alle mit fünf Sternen. Manche Bewertungen lesen sich wie aus den Erotikromanen, die man an der Supermarktkasse findet. Andrea, die sich auf dem Portal auch Prinzessin nennt, schreibt: „Deine Küsse haben ein Feuer in mir entfacht, das gestillt werden wollte. Deine Berührungen haben mich im Innern zittern lassen, wir haben uns immer wieder geküsst. Du bist ein wunderbarer Liebhaber, sanft und auch wild.“

Geht es in Ihrem Job ausschließlich um Sex?

Wir Callboys sind Sex-Arbeiter wie viele andere auch. Aber bei der Prostitution auf den Straßen oder in den Laufhäusern geht es vor allem um den reinen Akt. Da gehen die Männer rein, holen sich den Sex und gehen wieder raus. Bei den Escort-Männern und Escort-Damen geht es darum, eine schöne Zeit miteinander zu verbringen. Der Sex ist dann das i-Tüpfelchen. Den Frauen, die mich buchen, geht es dabei um unterschiedliche Bedürfnisse. Einsamkeit ist ein Faktor. Bei Single-Frauen geht es oft darum, dass sie wieder die Nähe eines Mannes spüren wollen. Andere wollen einfach wieder als Frau wahrgenommen, wertgeschätzt werden.

Viele Frauen, die zu Ihnen kommen, fühlen sich in ihren Beziehungen also vernachlässigt?

Unter anderem, ja. Die Frauen kennen irgendwann jede Handbewegung ihrer Männer, sie wissen genau, was in den nächsten Minuten passiert. Aber das reizt die Frauen nicht mehr, sie wünschen sich, dass man mehr auf sie eingeht, immer wieder mal etwas anderes macht, vielleicht ein paar Sex-Toys mit reinnimmt. Aber viele Männer sehen Sexspielzeuge immer noch als Konkurrenz, da heißt es dann: „Bin ich nicht gut genug?“. Die Frauen trauen sich aber oftmals ihre Wünsche auch nicht anzusprechen.

Katja schreibt über Kevin: „Ich habe bei unserem ersten Date nicht gemerkt, dass ich dich gebucht habe, wir haben uns sehr angenehm unterhalten. Was danach geschah, war für mich der Wahnsinn. Du hast mir diese Nähe gegeben und noch viel mehr. Was ich Jahrelang so sehr vermisst habe. In den Stunden, in denen wir zusammen waren, hast du mich einige Male ins ‚Nirvana’ geschickt.“

Sein Job sei wichtig, „damit sich Frauen mal nehmen können, was sie sonst nicht bekommen“, sagt Kevin. Foto: privat

Wie oft kommt es vor, dass sich Kundinnen in Sie verlieben?

Das kommt natürlich vor, ganz klar. Grundsätzlich schreibe ich keine Frauen an. Aber ich gebe den Frauen die Möglichkeit, dass sie sich vor und nach dem Treffen melden. Wenn sie mir schreiben, antworte ich. Dazu kommt man sich bei Intimitäten näher. Natürlich besteht da die Gefahr, sich zu verlieben. Aber wenn man das merkt, muss man mit den Frauen reden. Auch wenn sie sich überwirtschaften würden, weil sie mich öfter treffen wollen, würde ich sagen, so geht es nicht.

Würden Sie selbst ihren Job für eine Beziehung aufgeben?

Nein, ich fühle mich wohl so. Wenn ich eine Frau kennenlernen würde und sie sagen würde, ich komme damit nicht zurecht mit deinem Job, ich würde nicht damit aufhören.

Noch mal Andrea, die Prinzessin: „Deine Hände, Mund, Zunge waren überall. Du hast mich kommen lassen, und deine Standhaftigkeit ist beeindruckend. Ich hatte Höhenflüge, und meine Lust wurde gestillt, so wie es noch kein anderer Mann getan hat. Ich möchte mehr von Dir, neue Spielarten, ich bin neugierig, was noch kommt. Auf das nächste Date, Du wilder, sexy Löwe.“

Ihre Familie und Ihre Kollegen wissen über Ihren Callboy-Job Bescheid, und Sie sprechen in Talkshows und Interviews darüber. Warum tun Sie das?

Ich tue das, damit der Job von seinem Stigma wegkommt. Ich finde, es ist ein ganz normaler Job. Für die Frauen ist er wichtig, damit sie sich mal nehmen können, was sie sonst nicht bekommen in ihrem Leben.

Klingt fast so, als würden Sie mit Ihrem Job vor allem Frauen etwas Gutes tun wollen.

Ich sehe jede Frau als attraktiv, als schön an. Ich wünsche mir einfach, dass jede Frau Sexualität und Liebe, Nähe, Wertschätzung, die Umarmung und die Küsse eines Mannes, egal was, bekommen kann.

Würden Sie sich wünschen, dass es Frauen in ihren Beziehungen so gut geht, dass sie gar nicht mehr zu Ihnen kommen wollen?

Rein theoretisch wäre es natürlich schön für die Frauen, aber dann hätte ich ja keinen Nebenjob mehr.

Der Callboy

Nebenjob
Kevin ist Callboy im Nebenberuf, kaum jemand macht das hauptberuflich. In seinem Hauptjob ist Kevin, der in Dortmund wohnt, Glühtechniker in leitender Funktion. Er arbeitet in Raffinerien, hauptsächlich im Sommer. Im Winter sei weniger Arbeit, und da sei er froh, als Callboy was zu tun zu haben, sagt er.

Erfahrung
Kevin arbeitet schon lange als Callboy. Wie lange genau, und wie viele Dates er pro Jahr hat, das will er nicht verraten. Einblicke in seinen Job gibt er etwa auch in dem Podcast „Callboy – der Talk“.

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