Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Herr Huang mag Deutschland. Er möchte, dass Deutschland so ist, wie er sich das vorgestellt hat. So korrekt, so präzise, so gewissenhaft. Das hat nicht immer geklappt auf dieser Reise, und es wirkt fast schon ein wenig verzweifelt, wenn Herr Huang davon erzählt. Er hätte es so gerne anders. Aber da ist das Hotel, dessen Fitnessstudio nicht wie versprochen im gleichen Gebäude ist, sondern drei Straßen weiter. Und da ist die Bedienung, die einfach nur Entschuldigung hätte sagen sollen, stattdessen aber viel zu ausführlich erklärt, dass nicht sie für den Fehler verantwortlich sei. „Das ist unmöglich“, sagt Herr Huang, der sich so sehr wünscht, Deutschland einfach nur loben zu können.

 

60 000 Leser folgen im Augenblick seinen Reiseerzählungen, Tendenz stark steigend. Das sei schon eine Verantwortung, die er da auch beim Kritisieren habe, sagt Herr Huang. Er ist vorsichtig, wenn er beschreibt, wie er gelegentlich eine Art von Diskriminierung spüre. Deutsche seien zu Deutschen wohl freundlicher, sagt er. Das sei anders als in den USA, wo ihm die Menschen stets herzlich in die Augen sähen. Doch weil Herr Huang weiß, was sich gehört, beeilt er sich, das Gespräch ins Positive zu drehen. „99 Prozent der Erlebnisse in Deutschland sind wunderbar.“ Die Menschen, die Künstler vor allem, sie seien so höflich und zurückhaltend. Das gefällt ihm.

Chinas sei wie ein halbstarker Junge, sagt Herr Huang

Der VW-Bus rollt dem Dom von Speyer entgegen, in dem Herr Huang erneut einige Zeilen Kakerlaken-Kunde zum Besten gibt: „Die Ritzen in den Hochhäusern, zwischen den Ziegelsteinen, in den Fußböden, in den Herden, sind ausnahmslos Ergebnis vorsätzlicher Planung, um den Kakerlaken als Agenten der Zivilisation die Möglichkeit zu verschaffen, Widerspenstige aller Art dingfest zu machen“. Die Gedichte enthielten ein gutes Stück Kritik am chinesischen System, sagt Herr Huang – der Unternehmer, der Mäzen, das Parteimitglied. Es gebe viele dumme Politiker in China, die nationalistische Sprüche machten. „Es wäre gut, wenn China ein wenig Zurückhaltung von Deutschland lernen würde.“ Sein Land sei wie ein halbstarker Junge, der noch reifen müsse. Es wäre aber auch von Vorteil, wenn die Welt ein wenig Nachsicht mit diesem Halbstarken üben würde, ohne gleich zurückzuschlagen. Dass er heute seine Gedichte veröffentlichen könne, zeige, dass sich sein Land auf dem richtigen Weg befinde. Es brauche Zeit.

In zehn Jahren rund um die Welt

Knapp zehn Minuten dauert die Besichtigung, dann steht Herr Huang vor dem Weltkulturerbe und beginnt vorzulesen. Kakerlaken-Kunde heißt die Übersetzung seines Gedichtbandes, der soeben auf Deutsch erschienen ist. Herr Huang hat keine Zuhörer, als er da rezitiert, aber das ist auch egal. Es gehört zu dem Projekt. Vor jedem Weltkulturerbe ein paar Zeilen, die er unter dem Pseudonym Luo Ying verfasst hat. Das wird natürlich mit der Kamera dokumentiert, ist natürlich online zu sehen (www.facesaction21.com) und soll mitsamt dem Reisetagebuch demnächst ins Deutsche und in sechs weitere Sprachen übersetzt werden. So geht das mit dem Service.

Ein Unternehmer, der sich als Poet versteht

Herr Huang mag ein erfolgreicher Geschäftsmann sein, er selbst sieht sich eher als Poet. Weil er weiß, dass kaum ein anderer Dichterkollege so wie er die Inspiration für seine Werke auf Transatlantikflügen in der ersten Klasse finden kann, gehört Herr Huang zu den großen Mäzenen in China. Einen chinesisch-japanischen Literaturaustausch finanziert er ebenso wie die Peking-Universität und Tierschutzprojekte. Vor ein paar Jahren hat Huang Schlagzeilen gemacht, weil er 0,3 Prozent der Landfläche Islands kaufen wollte. Nun fördert der Literat deutsche und skandinavische Poeten und finanziert Lesungen und Workshops in der norwegischen Provinz.

Im südhessischen Lorsch sind große Teile des Weltkulturerbes geschlossen: Renovierungsarbeiten. Das finde er gut, sagt Herr Huang. Wenn man die in Stein gehauenen Erinnerungen der Menschheit gut erhalte, pflege man die eigene Vergangenheit. Eine Million Dollar hat er der Unesco dafür zur Verfügung gestellt. Nun sitzt er vor einem doppelten Espresso und erklärt, wie schwer sich China mit der eigenen Vergangenheit tue. Die Kulturrevolution sei noch immer nicht aufgearbeitet. Darunter leidet er. Dass der deutsche Zoll seinen Geldbeutel gefilzt hat, ohne ihn zu fragen und ohne dass er eine Einverständniserklärung unterschreiben musste, das bringt ihn in Rage. „Wenn man als Mensch so missachtet wird, ist das doch auch eine Verletzung der Menschenrechte“, sagt Herr Huang.

Warum er Deutschland nicht nur loben kann, aber gerne würde

Herr Huang mag Deutschland. Er möchte, dass Deutschland so ist, wie er sich das vorgestellt hat. So korrekt, so präzise, so gewissenhaft. Das hat nicht immer geklappt auf dieser Reise, und es wirkt fast schon ein wenig verzweifelt, wenn Herr Huang davon erzählt. Er hätte es so gerne anders. Aber da ist das Hotel, dessen Fitnessstudio nicht wie versprochen im gleichen Gebäude ist, sondern drei Straßen weiter. Und da ist die Bedienung, die einfach nur Entschuldigung hätte sagen sollen, stattdessen aber viel zu ausführlich erklärt, dass nicht sie für den Fehler verantwortlich sei. „Das ist unmöglich“, sagt Herr Huang, der sich so sehr wünscht, Deutschland einfach nur loben zu können.

60 000 Leser folgen im Augenblick seinen Reiseerzählungen, Tendenz stark steigend. Das sei schon eine Verantwortung, die er da auch beim Kritisieren habe, sagt Herr Huang. Er ist vorsichtig, wenn er beschreibt, wie er gelegentlich eine Art von Diskriminierung spüre. Deutsche seien zu Deutschen wohl freundlicher, sagt er. Das sei anders als in den USA, wo ihm die Menschen stets herzlich in die Augen sähen. Doch weil Herr Huang weiß, was sich gehört, beeilt er sich, das Gespräch ins Positive zu drehen. „99 Prozent der Erlebnisse in Deutschland sind wunderbar.“ Die Menschen, die Künstler vor allem, sie seien so höflich und zurückhaltend. Das gefällt ihm.

Chinas sei wie ein halbstarker Junge, sagt Herr Huang

Der VW-Bus rollt dem Dom von Speyer entgegen, in dem Herr Huang erneut einige Zeilen Kakerlaken-Kunde zum Besten gibt: „Die Ritzen in den Hochhäusern, zwischen den Ziegelsteinen, in den Fußböden, in den Herden, sind ausnahmslos Ergebnis vorsätzlicher Planung, um den Kakerlaken als Agenten der Zivilisation die Möglichkeit zu verschaffen, Widerspenstige aller Art dingfest zu machen“. Die Gedichte enthielten ein gutes Stück Kritik am chinesischen System, sagt Herr Huang – der Unternehmer, der Mäzen, das Parteimitglied. Es gebe viele dumme Politiker in China, die nationalistische Sprüche machten. „Es wäre gut, wenn China ein wenig Zurückhaltung von Deutschland lernen würde.“ Sein Land sei wie ein halbstarker Junge, der noch reifen müsse. Es wäre aber auch von Vorteil, wenn die Welt ein wenig Nachsicht mit diesem Halbstarken üben würde, ohne gleich zurückzuschlagen. Dass er heute seine Gedichte veröffentlichen könne, zeige, dass sich sein Land auf dem richtigen Weg befinde. Es brauche Zeit.

In zehn Jahren rund um die Welt

Sein Reiseprojekt hat Herr Huang auf zehn Jahre angelegt, im VW-Bus macht er die Geschäfte nebenher. Er habe gerade die Entscheidung getroffen, ein großes Einkaufszentrum in Peking in Büros umzuwandeln, „die Zeit des analogen Einkaufens ist vorbei“. Es ist nicht ohne Charme, dass das einer sagt, dessen Mobiltelefon aus dem letzten Jahrtausend zu stammen scheint. Er könne keine SMS tippen, rufe lieber zurück, wenn er eine erhalte, sagt Herr Huang. Es klingelt oft. Herr Huang entschuldigt sich jedes Mal bei seinem Gegenüber, bevor er abhebt.

Im Kloster Maulbronn steht eine Gruppe von Restaurateurinnen unter einer Linde. Höflich nähert sich Herr Huang und fragt, ob er ein wenig fragen darf. Wie viele Weltkulturstätten kennen Sie? Wie werden die Restaurierungen hier genau gemacht? Ist die Arbeit gesundheitsschädlich? Wie schützen Sie sich? Die Hände brav wie ein Schulbub vor die Brust gefaltet steht einer der reichsten Männer Chinas da, lacht und hört auf die Antworten. Den Frauen kommt das wohl etwas sonderbar vor, und am Ende fragen auch sie, wer dieser wissbegierige Gast denn sei. „Ich bin nur ein Bergsteiger“, sagt da Herr Huang.