Liebe auf den ersten Blick war es vielleicht nicht: Denn als Andreas und Sabina Reiser sich zum ersten Mal sahen, waren sie Stadtrivalen. Heute schlägt das Herz des Ehepaars komplett für blau – und die Liebe hat offenbar die Kluft des Neckars überwunden.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Degerloch - Die junge Frau, die Andreas Reiser 1975 in der Mercedes-Benz-Arena – die damals noch Neckarstadion hieß – kennengelernt hat, hat ihm sofort gefallen. Doch es gab ein Problem: Seine künftige Ehefrau war damals eine Rote. „Ich war nur mit Kumpels im Stadion – mitgehangen, mitgefangen, aber bin schon seit meinem achten Lebensjahr ein Blauer“, erzählt Reiser. Heute ist er seit 35 Jahren mit seiner Sabina verheiratet. Und heute trägt auch sie im Vereinsheim der Stuttgarter Kickers ein blaues Shirt – und das mit Stolz. Und jetzt, wo die Kickers ihren Saisonauftakt gegen den SV Waldhof Mannheim nach dem bitteren Abstieg auch noch mit 2:3 verloren haben, erst recht.

 

Andreas und Sabina Reiser sind Fußballfans seit Kindesbeinen. Er ist im Stuttgarter Westen aufgewachsen, sie im Osten, wo heute beide leben. „Ich bin schon irgendwie froh, auf der richtigen Seite des Neckars zu leben“, sagt Andreas Reiser schmunzelnd. Er habe auch nachgemessen, dass er näher am Gazi-Stadion wohne als an der Mercedes-Benz-Arena.

Ein Verein wie eine große Familie

Auf der Waldau spielt sich seit jeher ein Großteil des Freizeitlebens des 57-Jährigen ab, der im öffentlichen Dienst arbeitet. Bereits als Bub brachten ihn zwei „bis ins Mark blaue“ Onkels hierher. Und Reiser war sofort von der Magie ergriffen. „Damals war dort ein Erdwall, wo sich heute die Gegentangente befindet“, erinnert er sich. Damals galten die Kickers als besonders heimstark. „Vielleicht lag das mitunter auch daran, dass der Schiedsrichter vor und nach dem Spiel hier an dem Erdwall durch musste“, sagt Reiser und zwinkert mit den Augen.

Reiser lässt seinen Blick über die Waldau schweifen. Freud und Leid, sagt er, haben hier immer sehr nahe beieinander gelegen.

Für ihn ist der Verein wie eine große Familie. Ihm gefällt es sogar, dass die Kickers in Stuttgart – an ihren sportlichen Erfolgen gemessen – nur die Nummer Zwei sind. Darum findet er es auch gar nicht so schlimm, dass die Blauen wieder in der Regionalliga spielen. „Klar war es traurig, abzusteigen, aber ich freue mich auf die kommende Saison.“

Reiser geht es mehr um den Plausch mit anderen Fans am Bierstand als um Pokale. 300 bis 400 andere Blaue kennt er näher. „Ein mal blau, immer blau“, gelte für die meisten. Und wenn sich Vorstand, Trainer oder Spieler auf einen Schluck dazugesellen, weiß Reiser für sich, warum er ausgerechnet dieser Mannschaft die Daumen drückt.

Ein Herz, groß genug für zwei Vereine

„Zu einigen ehemaligen Spielern halten wir bis heute privat sehr engen Kontakt“, sagt er. Sportlich habe es für ihn selbst nie gereicht, bei den Kickers mitzuspielen. Aber um den Blauen immer ganz nahe zu sein, hat er gegenüber bei den Sportfreunden Stuttgart auf der Waldau gekickt.

Doch auch seine Frau Sabina Reiser ist nicht nur neben dem Platz aktiv. „Ich war 16 Jahre lang Schiedsrichterin beim Frauenfußball“, sagt die Personalerin. Zeitweise hat sie sogar in der Bundesliga gepfiffen. „Ich war bei der Schiedsrichterprüfung die Zweitbeste meines Jahrgangs“, fügt Sabina Reiser nicht ohne Stolz hinzu.

Also definitiv eine Frau, die etwas von Fußball versteht. Ob es dann so einfach war damals, sie dazu zu bewegen, die Seiten zu wechseln?

„Ein Teil von mir sympathisiert nach wie vor mit dem VfB“, sagt sie. Ihr Mann nimmt sie in den Arm: „Sabinas Herz ist groß genug, dass zwei Vereine darin Platz finden.“