Zwei Freunde in Frankfurt am Main, einer Anwalt, einer Detektiv – das ist die Essenz des Serien-Dauerbrenners „Ein Fall für Zwei“. Daran ändert sich auch in dem Remake des Krimi-Klassikers nichts. Ansonsten aber ist alles ganz anders!

Stuttgart - Sascha Hehn, der neue Matula? Diese Blaupause des feschen, perlweißstrahlenden Schiffsstewards als lederjackiger Schnüffler, der zwischen Frankfurts Bankentürmen die Fäuste für Geld und Gerechtigkeit (in dieser Reihenfolge!) schwingt und der von seinem Anwaltfreund regelmäßig aus dem Kittchen geholt werden muss? Eine abstruse Vorstellung! Gerade abstrus genug für die Macher der wunderbaren Miniserie „Lerchenberg“ auf ZDF Neo, von der gerade eine zweite Staffel entsteht.

 

In „Lerchenberg“ ist Sascha Hehn als selbstironische Verkörperung des alternden TV-Stars Sascha Hehn zu sehen, für den eine Jungredakteurin neue Rollen finden soll. In einer der Episoden wird Hehn tatsächlich als neuer Matula, also als neuer Titelheld des ZDF-Klassikers „Ein Fall für zwei“ gehandelt. Probeweise nimmt er den legendären Vorspann zur Serie (Skyline und rasantes Auto!) neu auf – und vergeigt es. Was man aus diesem Was-wäre-wenn-Spiel lernen kann? Dass Josef Matula, „das Symbol westdeutscher Beständigkeit“, wie der „Spiegel“ einmal schrieb, nicht zu ersetzen ist? Lange dachte man auch beim ZDF so. „Letzte Worte“, die 300. Folge von „Ein Fall für zwei“, die am Karfreitag vor einem Jahr gezeigt wurde, sollte auf eigenen Wunsch die letzte für Claus Theo Gärtner als Detektiv Josef Matula sein und, jedenfalls offiziell, überhaupt einen Schlussstrich hinter 32 Jahre Frankfurter Anwalt-und-Detektiv-Spiel setzen.

Der neue Matula heißt jetzt Leo Oswald

Doch dann kam es, Überraschung Nummer eins, anders. Von heute an gibt es vier neue Folgen „Ein Fall für zwei“. Überraschung Nummer zwei: der neue Matula, der in der ZDF-Serie jetzt Leo Oswald heißt und von einem bärtigen Wanja Mues gespielt wird, ist vom Typ her mindestens genau so fesch und perlweißstrahlend, wie es Sascha Hehn einstmals war. Zumindest ist Mues, 1973 in Hamburg geboren und bekannt geworden als fieser Fürstenneffe in der ZDF-Schmonzette „Der Fürst und das Mädchen“, ungefähr genauso alt, wie es C.T.G. war, als er vor über dreißig Jahren die Rolle seines Lebens annahm.

Die Verlockung, eine Fernsehserie fortzuführen, die sich als Marke wie kaum eine andere im Kollektivhirn festgesetzt hat und die zuletzt noch immer bis zu sechs Millionen Zuschauer allein in Deutschland zum Einschalten bewegte, war dann wohl doch größer als die Furcht zu scheitern. Oder, mit den Worten des „Ein Fall für zwei“-Produzenten Klaus Laudi: „So eine Möglichkeit ist doch ein Sechser im Lotto für jeden Serienproduzenten.“ Es sei im Vorfeld viel probiert und wieder verworfen worden, plaudert Laudi aus – bis allen klar war, „dass wir von ,Ein Fall für zwei’ lernen müssen, seine Essenz herausfiltern müssen, bevor wir loslegen können“. Die Essenz ist: zwei Freunde, einer Anwalt, einer Detektiv, Frankfurt. Das war es, und das ist es wieder. Darüber hinaus ist ganz viel anders.

Benni wischt sich die Prinz-Eisenherz-Locke aus dem Gesicht

Die beiden neuen Hauptgesichter des neuerfundenen Krimi-Klassikers begegnen einem zum ersten Mal im neuen Vorspann, der (Skyline und rasantes Auto!) sehr ähnlich zum alten ist. Nur über die Titelmusik muss der gleiche Weichspüler geflossen sein, wie über die kürzlich modernisierte „Tagesschau“-Fanfare: Beiden fehlt nun das Zackige, Markante. Und dass Leo Oswalds Anwaltfreund Benjamin Hornberg auf Zack wäre, kann man auch nicht gerade behaupten. Man ist sogar geneigt, dem eher gemütlichen Fachanwalt für Versicherungsrecht (nicht Strafrecht!) den Spitznamen „Benni Bärchen“ zu verpassen. Das liegt zum einen daran, dass der Schauspieler Antoine Monot jr. die Rolle, rein optisch, mit Günter Strack’schen Maßen ausfüllt, also dass er kein asketischer Typ ist wie Matulas vierter und letzter Serienadvokat Dr. Lessing. Andererseits haben die Autoren Benjamin Hornberg eine geordnete Wohlstandsvita mit Villa, Mercedes und Schwiegervater-Patriarchen auf den Leib geschrieben. Wenn letzterer, Dr. Oskar Renners (Thomas Thieme), seinen Schwiegersohn herbeizitiert, und das tut er oft, drückt Benni das Kreuz gerade und wischt schuldbewusst die Prinz-Eisenherz-Locken aus dem Gesicht.

Um wie vieles kantiger fällt da die andere Hälfte des odd couple aus – es muss ja das angestammte Wechselspiel eines korrekten Anwalts und eines handfesten, leicht zwielichtigen Detektivs mit Kontakten in sämtliche Halbwelten bedient werden. Also, Leo Oswald hat ein bewegtes, kriminelles Leben geführt, seit er vor zwanzig Jahren nach Südamerika abhaute und seinen Schulfreund Benni allein am Flughafen ließ. Seither, erfährt man, war Funkstille.

In der Auftaktfolge „Verhängnisvolle Freundschaft“ ist Leo Oswald zurück in Frankfurt. Er wohnt, anders als Matula, nicht in einem Loft, sondern auf einem Hausboot, der MS Gisela, und treibt sich beruflich bedingt auf Bunga-Bunga-Parties rum. Als er verhaftet wird, weil er einen der Partygänger ermordet haben soll, kommt für ihn nur Benni als Retter in der Not in Frage. Es braucht eine halbe Stunde, dann hat Benni Leo rausgeboxt, und eine weitere halbe, bis Leo Bennis altes Leben zerstört hat, um mit ihm gemeinsam ein neues zu beginnen. Bis auf die Boxershorts entkleidet rennen die beiden in der symbolträchtigen Schlussszene los, um in den Main zu springen. Bevor sie abtauchen, friert das Bild ein, und Lenny Kravitz röhrt „Fly away“. Das kann man so oder so deuten: Entweder ist dem ZDF hier ein neuer Serienüberflieger gelungen. Oder das neue „Ein Fall für zwei“ geht baden.