Die Justiz in Stuttgart hat einen neuen Mitarbeiter. Er heißt Watson und ist ein Golden Retriever. Watson gibt traumatisierten Zeugen Halt vor Gericht – und nicht nur das.

Stuttgart - Es ist eine sehr belastende Situation für die geistig behinderte Frau. Sie soll vor dem Amtsgericht Stuttgart als Zeugin in einem Sexualstrafverfahren aussagen. Eigentlich will sie nicht. Die Frau hat Angst. Aber sie hat Watson.

 

Die Aussage der Zeugin zog sich im Oktober dieses Jahres über gut zweieinhalb Stunden. Es hing viel ab von dem, was sie im Gerichtssaal sagte. Die Frau hat die Situation gut gemeistert, weil Watson ihr über die gesamte Zeit zur Seite gestanden – oder besser: gelegen – ist.

Gerade minderjährige Opfer von Sexual- und Gewaltdelikten seien oft traumatisiert und hätten durch die Straftat äußerst negative Erfahrungen mit Bezugspersonen gemacht, sagt Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU). Hier springe die psychosoziale Prozessbegleitung den Opfern vor Gericht bei – jetzt auch mit Watson. „Das ist ein tolles Projekt, das helfen kann, Opfern in Gerichtsverfahren Halt zu geben“, so Wolf.

Prozessbegleitung auch beim Raser-Prozess

Der dreijährige Rüde ist bei Prävent-Sozial „angestellt“. Prävent-Sozial firmiert unter dem Dach des gemeinnützigen Vereins Bewährungshilfe Stuttgart, der seit geraumer Zeit psychosoziale Prozessbegleitung leistet. „Wir haben bereits vor 20 Jahren erkannt, dass bestimmte Personen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens unterstützt werden müssen“, sagt Matthias Merz, Richter am Oberlandesgericht und ehrenamtlich im Aufsichtsrat der Bewährungshilfe engagiert. Die Prozessbegleitung laufe seit Jahren höchst erfolgreich, was man auch beim Jaguar-Raser-Prozess gesehen habe, so Merz.

Seit dem 1. Januar 2017 haben besonders schutzwürdige Verletzte einen Anspruch auf professionelle Begleitung während des gesamten Strafverfahrens. Dies leistet unter anderem Prävent-Sozial mit der psychosozialen Prozessbegleitung. Das Justizministerium Baden-Württemberg unterstützt dies nach Aussage von Minister Wolf mit jährlich 75 000 Euro. „Das Justizministerium Baden-Württemberg hat sich bei der vergangenen Justizministerkonferenz im November in Berlin erfolgreich für eine Ausweitung der psychosozialen Prozessbegleitung eingesetzt“, sagt der Minister.

Es seien aber noch weitere Anstrengungen notwendig. Ihm sei ein Fall bekannt geworden, so der Justizminister, in dem der Angeklagte versucht haben soll, seinen Stiefvater zu töten. Der Stiefvater habe die Attacke überlebt, dessen Frau, also die Mutter des Angeklagten, sei dadurch schwer traumatisiert. Derzeit bestehe aber für die Frau kein Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung, weil der Anspruch bei versuchten Tötungsdelikten nicht greife. „Hier müssen wir die Regelung anpassen“, sagt Wolf.

Watson hat Instagram-Account

Zurück zu Watson: Der dreijährige Rüde hat eine absolute Topausbildung absolviert. Er sei Therapiebegleithund und habe die Prüfung als Rettungs- und Flächensuchhund erfolgreich bestanden, sagt Sabine Kubinski. Die Sozialarbeiterin im Dienst von Prävent-Sozial ist Watsons Hundeführerin. Sie hält große Stücke auf den freundlichen Vierbeiner. „Wenn er dabei ist, geht es schwer belasteten Zeugen besser. Und ihre Aussage hat eine höhere Qualität“, so Kubinski.

Watson ist ein Solitär – zumindest in Baden-Württemberg. Sabine Kubinski weiß nur noch von einem ähnlichen Projekt in Norddeutschland. Allerdings arbeitet Watson nicht nur in der Justiz. „Einmal wöchentlich besucht er das Frauenhaus in Esslingen“, so seine Chefin.

Wenn sich das Pilotprojekt mit Watson bewähre, wolle man einen zweiten Hund einsetzen, was auf das Wohlwollen des Justizministers trifft. Dieser ist mit Watson auf Instagram verbunden. Watsons Account lautet auf „Good Mood Watson“, also Gute-Laune-Watson. Der Golden Retriever hat jetzt schon 440 Follower – Tendenz steigend.