75 Jahre. So alt werden viele Menschen nicht. Arthur Burgstahler und Manfred Zahn sind seit 75 Jahren Mitglied im SV Heslach. Ein Leben für den Verein.

Die Stadt lag in Trümmern. In der Innenstadt stand kein Stein mehr auf dem anderen. Die Bundesrepublik gab es noch nicht, man zahlte mit der Reichsmark, so sie jemand akzeptierte und man nicht gleich lieber tauschte: Zigaretten gegen Essen. Einen Landtag hatte man gerade gewählt, doch Württemberg und Stuttgart standen unter amerikanischer Militärverwaltung. Noch sind hunderttausend Soldaten aus dem Südwesten in Kriegsgefangenschaft, doch das Leben kehrt allmählich zurück. Der Bunker vor dem Hauptbahnhof wird als Kino umfunktioniert. Und die Kinder gehen wieder in die Schule – und bekommen dort zu essen, die sogenannte Hoover-Speisung. Für 25 Pfennig je Mahlzeit. Auch wer es sich nicht leisten kann, und das sind viele, darf essen. Es ist 1947.

 

Zurück aus dem Krieg

Arthur Burgstahler hat den Reichsarbeitsdienst und den Krieg überlebt, er zählte zum letzten Aufgebot, das die Nazis mobilisiert hatten, um die Alliierten aufzuhalten. 19 ist er, lernt Offsetdrucker. 56 Stunden arbeitet er, Samstags bis 16 Uhr. Sonntags kickt er beim SV Heslach, oben gegenüber des Birkenkopfs. Zum Training mittwochs läuft er eine Dreiviertelstunde durch den Wald den Berg hoch. Und abends wieder zurück.

Manfred Zahn ist zu jener Zeit neun Jahre alt. Mit drei Familien sind sie beim Onkel in der Ludwigstraße untergekommen, nachdem sie am Marienplatz ausgebombt worden und nach Heiningen im Kreis Göppingen evakuiert worden waren.

Woher Schuhe nehmen?

Auch er läuft hoch zum Sportplatz des SV Heslach zum Training, er spielt Handball, dass man damals noch im Freien spielt auf einem Rasenplatz. Wobei, ein Rasenplatz war das damals nicht. „Das war ein Waldboden“, erinnert sich Burgstahler 75 Jahre später im Vereinsheim des SV Heslach. „Wir waren damals über und über mit Matsch und Schlamm bedeckt.“ Die Schuhe waren auch etwas anders als heute gewohnt. Böller gab es keine, oder sie waren sündhaft teuer. „Meine Mutter hat aus Autoreifen meinem Bruder Dieter und mir Turnschuhe gemacht, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen“, sagt Manfred Zahn. Woraufhin Burgstahler gleich einhakt und erzählt, dass er auf Fassdauben Skilaufen gelernt hat. „Lederriemen drum, und dann ging es los.“

Die zweite Heimat

Beide sind sie 1947 eingetreten in den Verein. 75 Jahre lang sind sie nun dabei. Dafür ehrt sie der SV Heslach mit einer Urkunde. 75 Jahre. So alt werden viele Menschen nicht. Und noch immer sind sie in ihrem Verein. Manfred Zahn kommt immer noch regelmäßig hoch ins Vereinsheim. Mit seiner Frau Helga, einer ehemaligen Handballerin, die er natürlich im Verein kennenlernte. Der Verein, das war Heimat und Heiratsbörse. Und Theater haben sie gespielt. „Wir hatten ja damals nichts anderes“, sagen sie unisono, „es gab schlichtweg nichts. Alles war kaputt. Alles war zu.“ Eine Baracke stand da, da trank man nach dem Spiel noch ein oder zwei Bier. Nicht zu viele, erinnert sich Burgstahler, sonst dauerte der Heimweg durch den dunklen Wald zu lange. Burgstahler schaut nicht mehr so oft vorbei. Was aber daran liegt, dass er oft im Urlaub ist. Er zieht einen Zettel aus seinem Geldbeutel. „Das ist meine Urlaubsplanung, wenn Sie mal sehen wollen, was ein Rentner so macht: Ich war im Altmühltal, gehe an den Bodensee, dann nochmals ins Altmühltal, dann ins kleine Walsertal.“ Spricht’s und grinst sich eins, ehe er den Zettel wieder in den Geldbeutel steckt.

Ein starker rechter Fuß

Den trägt er übrigens immer rechts, sagt er, als er das Portemonnaie zurück in die Hosentasche steckt. Die Macht der Gewohnheit. „Ich habe immer rechts gespielt, Rechtsaußen oder rechter Verteidiger, ich hatte nur einen rechten Fuß.“ Den sie ihm bei Auswärtsspielen gerne mal auch mit dem Spazierstock weggezogen haben, erinnert er sich.

Ausflug nach Paris

Gegründet wurde der Verein ja von den Handballern. Dieter Zahn ist zehn Jahre jünger als Burgstahler. „Das Leben ist dann schneller besser geworden für uns“, sagt er. Ende der fünfziger Jahre, Anfang der sechziger Jahre ging es dann schon zu Turnieren ins Ausland. In Paris waren sie etwa, haben gegen die Brüder aus der DDR gespielt. „Die standen da in Reih und Glied, diese Schränke“, erinnert sich Zahn. „Und dann schauen Sie mich an, damals hat man die Kleinen ja an den Kreis gestellt.“ Das sei schon etwas ganz Besonderes gewesen, diese Momente, die man durch den Sport erleben durfte. Der Verein, er ist ihnen Heimat geblieben. Auch wenn heute das Leben ein ganz anderes ist.