Trotz Erfolg der European Championships Warum es keine gute Zeit für eine Olympiabewerbung ist

Im Olympiastadion herrscht beste Stimmung. Foto: dpa/Sven Hoppe

Die European Championships in München sind ein großes Sportfest und machen Lust auf eine deutsche Olympiabewerbung – aber ist diese auch wirklich ratsam, fragt sich Dominik Ignée.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Mehr als 40 000 euphorische Zuschauer verwandeln das Münchner Olympiastadion in einen Hexenkessel – und brüllen ihre Helden wie den deutschen Zehnkämpfer Niklas Kaul zu Gold. Mehr als 5000 Zuschauer feiern beim Beachvolleyball und Klettern auf dem Königsplatz eine traumhafte Sportparty mit Volksfestcharakter. Was für ein Sommerfest!

 

Die European Championships sind eine Multi-Europameisterschaft mit neun Sportarten, um die sich München beworben hatte im Hinblick auf das 50-Jahr-Jubiläum der Sommerspiele 1972. Die Stadt hat sich ins Zeug gelegt und dieses sogenannte Mini-Olympia zu einer Veranstaltung werden lassen, die weltweit große Beachtung findet und vom Sportpublikum dankbar angenommen wird. Der Erfolg dieser Multi-EM wird nun von einigen Politikern und Sportfunktionären so interpretiert: In Deutschland ist so etwas möglich. Deutschland habe in München, glauben sie, den inoffiziellen Testlauf für eine mögliche neue Olympiabewerbung mit Bravour bestanden.

Zahlreiche gescheiterte Bewerbungen

Deutschland und Olympia – das ist nach zahlreichen, oft kläglich gescheiterten Bewerbungen ein hochsensibles Thema. Aus den Niederlagen resultierte mit guten Gründen eine gewisse Bewerbungszurückhaltung. Das Sportfest dieser Tage in München soll nun der Debatte über eine weitere deutsche Bewerbung neuen Schwung verleihen. Und wer in München live dabei ist oder die Fernsehbilder mit den von Sieg und Niederlage geprägten Emotionen sieht, der könnte auf die Idee kommen: Olympia muss her!

Die Spiele 1972 haben durch den vom Stuttgarter Architekten Günter Behnisch entworfenen Olympiapark das Stadtbild entscheidend geprägt, den Bau der U-3-Linie möglich gemacht und die Sportlandschaft in Deutschland positiv beeinflusst. Die Menschen marschierten wieder fleißig in die Sportvereine, und das Fördersystem für Hochleistungssportler wurde vorangebracht. Es ist zweifelsfrei der Vorteil Olympischer Spiele: Sie können etwas bewegen.

Die Sportler fordern Nachhaltigkeit

Doch 1972 liegt lange zurück. 50 Jahre später sieht die Welt ganz anders aus. Die politische Lage in Europa ist angespannt, Ängste um die Gasversorgung drücken die Stimmung, und mit Sicht auf die Klimakrise geht es ständig darum, noch zu retten, was möglicherweise gar nicht mehr zu retten ist. Sparsamkeit, Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind zu festen, sinnstiftenden Begriffen in den Köpfen vieler Menschen und auch Sportler geworden. Der Zehnkämpfer Kaul etwa könnte sich Olympische Spiele in Deutschland nur vorstellen, wenn sie schonend geplant werden, Sportstätten genutzt werden, die schon da sind, und nur neue gebaut werden, wenn man sie später auch noch gebrauchen kann. Eine mögliche Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2022 etwa scheiterte per Bürgerentscheid. Damals wollten mehr Menschen in Garmisch-Partenkirchen, dass die saftigen Wiesen im Tal auch bleiben, was sie sind.

Diesem Zeitgeist steht das Internationale Olympische Komitee (IOC) gegenüber – mit seiner starren, unmodernen Denke. Gigantismus und Kommerz sind wohlwollend wahrgenommene Aspekte im Bewerbungsverfahren. Später müssen sich die Austragungsstädte mit Knebelverträgen auseinandersetzen. Das Schlimmste ist: Auch vor dem gegenseitigen Schulterklopfen mit üblen Diktatoren schreckt das IOC nicht zurück.

Über eine deutsche Olympiabewerbung darf nachgedacht werden, und die Meisterschaften in München machen auch Lust auf mehr. Doch wäre viel Geduld empfehlenswert. Eine Bewerbung ist erst sinnvoll, wenn das IOC in der Gegenwart angekommen ist.

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