Rechtssicherheit hat Kanzlerin Angela Merkel versprochen: für Flüchtlinge in der Berufsausbildung und für deren Arbeitgeber. Doch das Versprechen trägt nicht, wie der Fall des Qasim Shahzad Cheema und seiner Gefährten aus Pakistan zeigt.

Stuttgart - Ein Jahr war der junge Mann unterwegs, ehe er im Frühsommer 2015 die deutsche Grenze erreichte. Aufgebrochen war der damals 24-Jährige in Gujranwala, einer Stadt im Nordosten der pakistanischen Provinz Punjab. Sein Weg führte ihn durch den Iran und die Türkei, dann über den Balkan nach Deutschland, seinen Asylantrag stellte er in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen. Im November 2015 sollte er nach Kirchheim/Teck verlegt werden. Stattdessen landete Qasim Shahzad Cheema in einer Flüchtlingsunterkunft in dem zur Stadt Ostfildern gehörenden Flecken Scharnhausen.

 

Inzwischen ist er 26 und sucht nach einer Lebensperspektive in Deutschland. Anfang September begann er nach einem dreimonatigen Praktikum die Ausbildung zum Altenpflegehelfer: drei Tage Schule mit Sprachunterricht, zwei Tage Praxis in der Altenpflege in Filderstadt-Harthausen. Ein Anfang. Die Arbeit bereitet ihm Freude, er verdient eigenes Geld. Er ist auch nicht allein, sechs weitere Flüchtlinge haben sich für die Ausbildung entschieden. Das Problem ist nur: ob Cheema und die anderen jemals ein Abschlusszeugnis in den Händen halten, steht in den Sternen. Zuletzt musste Cheema zwangspausieren. Der Grund: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hatte das Asylverfahren eingestellt, weil er auf die Schreiben der Behörde nicht reagiert hatte. Das konnte er auch nicht: die Post war nach Kirchheim gegangen, wohin er ursprünglich verlegt werden sollte. Doch weil er sich nicht meldete, war er die Arbeitserlaubnis los.

Nachwuchskräfte für Mangelberufe

So etwas darf nicht sein, findet Ursula Zitzler, Vorsitzende des Freundeskreises Asyl in Ostfildern. Hatte die Bundesregierung mit dem neuen Integrationsgesetz nicht Rechtssicherheit für Flüchtlinge in Ausbildung und für deren Arbeitgeber versprochen? Die Idee war ja, Flüchtlingen den Weg in den Arbeitsmarkt zu eröffnen – auch bei noch unsicherer Bleibeperspektive. Zumindest für die Dauer der Ausbildung und – bei Übernahme in den Betrieb – weiteren zwei Jahren sollten sie im Land bleiben können; dies nicht zuletzt auch im Interesse der ausbildenden Firmen. Nun gebe es Rechtssicherheit, sagte Kanzlerin Angela Merkel unlängst auf dem deutschen Arbeitgebertag.

Doch davon kann keine Rede sein. Für Ursula Zitzler stellt sich die Frage, ob das Integrationsgesetz nur eine Mogelpackung ist. Wenn Flüchtlinge holterdiepolter ihre Ausbildung abbrechen müssten, lasse auch das Interesse der Arbeitgeber nach. Niemand könne wollen, dass die Flüchtlinge in ihren „Unterkünften die Zeit totschlagen“. Schon gar nicht, wenn sie für Mangelberufe, für die händeringend Personal gesucht werde, zur Verfügung stünden.

Dass trotz des neuen Integrationsgesetzes auch ein Lehrvertrag nicht garantiert, die Ausbildung beenden zu können, hat in Fällen wie jenem des Qasim Shahzad Cheema zwei Gründe. Der erste: Es fehlt der Pass. Damit kann, so das Regierungspräsidium Karlsruhe unter Verweis auf das Aufenthaltsgesetz, auch keine Ausbildungsduldung erteilt werden. Allerdings ist es mit der Passbeschaffung so eine Sache. Cheema hatte sich durchaus um Papiere bemüht, war aber im pakistanischen Generalkonsulat in Frankfurt nicht vorgelassen worden. Erst als sein Begleiter, ein ehrenamtlicher Betreuer aus Ostfildern, insistierte, erhielt Cheema wenigstens eine Bestätigung, dass er vorgesprochen hatte. Das Papier reichte offenbar nicht aus, um bei Behörden die Zweifel an seinem Kooperationswillen bei der Passbeschaffung zu zerstreuen.

Keine Garantie für den Abschluss der Ausbildung

Es gibt aber für Leute wie Cheema noch ein zweites Hindernis auf dem Weg zu einer Ausbildungsduldung. Als Voraussetzung nennt das Aufenthaltsgesetz eine „qualifizierte Ausbildung“, die mindestens zwei Jahre währt. Das trifft auf Cheemas Ausbildung zum Altenpflegehelfer zu, allerdings nur, weil sie eine intensive Deutschförderung enthält. Andernfalls währte sie nur ein Jahr. Deshalb, so ließ der Amtschef des Innenministeriums, Julian Würtenberger, den Schwäbisch Gmünder OB Richard Arnold schriftlich wissen, könne Altenpflegehilfe nicht als qualifizierte Berufsausbildung gelten. Eine Ausbildungsduldung komme nicht in Betracht.

OB Arnold stöhnt bei solche Ausführungen auf. Das gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei, sagt er. „Wenn es sich herumspricht, dass die Ausbildung keinen Schutz vor Abschiebung bietet, machen die Flüchtlinge das nicht mehr.“ Dabei strebten nach seiner Erfahrung „unheimlich viele“ von den Asylbewerbern in die Altenpflege. Die gingen sehr liebevoll mit den Menschen um, er habe in Schwäbisch Gmünd zahlreiche Fälle. Ständig sei doch vom Pflegenotstand die Rede. Egal ob im Altenheim, in der Gastronomie oder im Handwerk, es brauche die Möglichkeit zur Vorqualifizierung, zur Teilqualifzierung und zum Weitermachen. „Wer auf einem guten Weg ist, den wollen wir aktiv begleiten.“

Deutsche Menschlichkeit, deutsche Regeln

Das wäre auch bei den werdenden Altenpflegehelfern möglich. Rosemarie Amos-Ziegler, die Betreiberin der Wohngemeinschaft für Senioren in Filderstadt, hat mit Flüchtlingen in der Altenpflege gute Erfahrungen gesammelt. „Ich finde sie fantastisch, sie gehen liebevoll und sehr geduldig mit den Bewohnern um.“ Amos-Ziegler beschäftigt 38 Auszubildende, darunter auch Cheema und seine sechs Kollegen aus der Scharnhauser Flüchtlingsunterkunft. Nach Abschluss der Ausbildung zum Altenpflegehelfer könnten diese die Ausbildung zum Altenpfleger aufnehmen, sagt Amos-Ziegler. Die ist dann auch im Sinne des Gesetzes qualifiziert und ermöglicht eine Ausbildungsduldung .

Ob es dazu kommt, ist sehr fraglich. Nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe ist Cheemas Asylverfahren zwar wieder aufgenommen. Damit erhält er eine Aufenthaltsgestattung und darf arbeiten. Doch scheitert das Asylbegehren, wäre es damit wohl erneut vorbei. Bei der Stadt Ostfildern musste er eigens eine „Belehrung“ unterschreiben, in der es heißt, nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens habe er „keinerlei Garantie, die Ausbildung fortführen und abschließen zu können“. Es gibt keine Rechtssicherheit, nicht für Cheema, nicht für die anderen Asylbewerber in der Helferausbildung, nicht für Rosemarie Amos-Ziegler. Cheema wirkt frustriert. Er strengt sich an, er lernt – was nicht leicht ist in seiner Unterkunft. 81 Menschen aus zwölf Nationen leben dort. Es ist laut, immer herrscht Betrieb. „Viele können nachts nicht schlafen, stets brennt das Licht“, sagt er, „alle haben Probleme“. Mit der Arbeit verdiene er sein eigenes Geld, liege niemand auf der Tasche. Doch das windungsreiche Asylverfahren reibt ihn auf. Für alles benötige er eine Erlaubnis, klagt Cheema. Er habe in Deutschland Mitmenschlichkeit gesehen, aber in den deutschen Regeln finde er sie nicht. „I did see Humanity in Germany, but I don’t find Humanity in German Regeln.“