Wie alltagstauglich ist E-Mobilität? Vier Experten diskutieren zum Mobilitätswandel, Regionaldirektorin Nicola Schelling berichtet aus zwei verschiedenen Perspektiven über das Thema Elektromobilität.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Dem Thema E-Mobilität kann man sich aus ganz verschiedenen Richtungen nähern. Man kann über Elektromobilität aus einer persönlichen Perspektive referieren. Man kann die Antriebstechnik aus dem Blickwinkel der Direktorin eines regionalen Verbands beleuchten. Man kann aber auch vier Experten auf einem Podium zu diesem Thema diskutieren lassen. Der Kongress „Stadt der Zukunft“, der von der Stuttgarter Zeitung veranstaltet wird, hat am Mittwoch einfach alle beschriebenen Varianten eingesetzt. Heraus kam dabei ein im wahrsten Sinne des Wortes spannender Rundumschlag zum Thema E-Mobility.

 

Zunächst referierte Nicola Schelling, die Direktorin des Verbands Region Stuttgart, über Vorzüge und Maßnahmen der E-Mobilität. Vorteil Schelling: Sie brachte gleich zwei Perspektiven mit. Zum einen verfügt sie über langjährige praktische Erfahrung mit einem E-Auto, sie fährt seit vier Jahren Tesla. Zum anderen unterstützt sie als Regionaldirektorin den Mobilitätswandel.

Die Stimmung in Bezug auf die E-Mobilität hat sich geändert

Als Schelling 2014 beinahe als erste Amtshandlung einen Tesla bestellte, hagelte es Kritik, weil sie nicht auf ein Auto aus heimischer Produktion zurückgegriffen hatte: „Zum Zeitpunkt der Bestellung gab es kein vergleichbares Fahrzeug von einem hiesigen Hersteller“, erzählt Schelling. Beim Tesla habe sie die Reichweite überzeugt, die Schnelllade-Infrastruktur entlang der Autobahnen – und der Fahrspaß. Und was spricht gegen den Tesla, was fehlt? „Eine Schnelllademöglichkeit in der Stadt. Die nächste Stelle ist in Leonberg.“ Das führe schnell zu, Achtung, schönes, deutsches Wort: Reichweitenangst.

„In der Region brauchen wir für jeden Bürger eine Ladestelle, die in maximal zehn Minuten erreichbar ist, mit mindestens vier Ladepunkten, damit auch wirklich etwas frei ist.“ Dafür braucht es laut Schelling 60 Ladestellen, 30 davon seien schon umgesetzt. Zum Schluss ihres Vortrags erinnerte Schelling noch einmal an die Kritik, die sie nach der Tesla-Bestellung vor vier Jahren erfahren habe, und an die Stimmung, die heute ganz anders sei. „Damals habe ich zum Beispiel einen bösen Brief aus dem Porsche-Vorstand bekommen. Heute verabschiedet sich der Autobauer vom Diesel und setzt auf die E-Mobilität“, so Schelling.

Die große Frage: wie bekommen wir ein ausreichendes Ladesystem für alle E-Autos?

Im Anschluss diskutierten der IT-Spezialist Alexander Decker, Geschäftsführer von Comfortcharge, einer Tochterfirma der Telekom, Franz Loogen, seit 2010 Geschäftsführer von E-mobil BW – Landesagentur für neue Mobilitätslösungen, Selma Lossau von Netze BW, einer Tochter der EnBW, und Carolin Reichert, die bei Bosch den Geschäftsbereich Connected Mobility Solutions leitet, über die Frage „Wie kommt der Strom ins Auto?“. Moderiert wurde die Runde von StZ-Lokalchef Jan Sellner.

Die Stimmung der Experten bewegte sich beim Thema E-Mobilität zwischen dynamisch, euphorisch und zukunftsprägend. Die große Frage laute: Wie bekommen wir ein Ladesystem, das den Anforderungen von einer Million E-Fahrzeugen genügt, die laut Franz Loogen 2022 auf deutschen Straßen fahren werden? Daran forscht zum Beispiel Alexander Decker von Comfortcharge. Er will die vorhandene Infrastruktur der Telekom in ein deutschlandweites Ladestellennetz verwandeln. „Alles, was ich dafür brauche, ist ein Loch in unseren grauen Kästen“, erklärte Decker etwas zugespitzt und referierte darüber hinaus über die persönlichen Erfahrungen mit seinem E-Dienstwagen. „Wenn meine Frau, eine passionierte Motorradfahrerin, das Auto fährt und beschleunigt, sage ich immer ganz vorsichtig: ,Schatz, die Reichweite!‘“

Selma Lossau von Netze BW berichtete von ihrem Pilotprojekt in Ostfildern, bei dem das Nutzerverhalten von E-Auto-Fahrern untersucht wird, zum Beispiel in Bezug auf das Aufladen der Fahrzeuge. „Die Erkenntnis bisher: Jeder lädt zu anderen Zeiten auf.“ Bei dem Projekt beobachte Selma Lossau eine schwäbische Eigenheit: „Wir haben Nutzer, die ausschließlich samstags aufladen, und dann nur zwischen 13 und 14 Uhr – vielleicht fahren sie dann ja zur Kehrwoche.“