Ein arabischer Investor will aus 1860 München einen Weltclub machen. Doch die Löwen wollen nicht kuschen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Franz Maget war jahrelang ein guter Fraktionschef der SPD im Bayerischen Landtag. Genützt hat es, nun ja, wenig. Und dann ist Maget noch Vizepräsident von 1860 München. Als Sozialdemokrat wie als praktizierender Löwe in Bayern seien „Geduld und Leidensfähigkeit“ charakterlich unabdingbar, sagt Maget gern. Passenderweise lacht Maget immer, wenn er den Satz raushat.

 

Es gibt ein paar erstaunliche Parallelen zwischen dem Schicksal der bayerischen Sozialdemokratie und dem der Löwen: beide waren in der Frühzeit ihrer jeweiligen Systeme – hie in der Landesregierung, dort in der Bundesliga – mal führend, also Meister, wenn man so will. Die SPD mit Wilhelm Hoegner von 1945 bis 46 und von 1954 bis 1957. Dann nie mehr. Der TSV München 1860 im Jahr 1966. Dann Vize. Aber ein Jahr später auch schon in der Regionalliga.

Am Dienstag hat der Zweitligist TSV 1860 München 1:0 gegen den SC Paderborn 07 in der Arena gespielt. Es ist das Stadion, das die Löwen in den autokratischen Jahren unter dem Präsidenten Wildmoser gemeinsam mit dem FC Bayern bauten. Karl-Heinz Wildmoser und sein Sohn Heinzi aber waren Betrüger. Heinzi ging ins Gefängnis. Sein Vater ist tot. Die Sechzger sind jetzt Mieter in der Arena. Am Dienstag kommen 13 500 Leute in ein Stadion, das praktisch auf Jahre hinaus ausverkauft ist, wenn der FC Bayern jongliert. Andererseits steht 1860 München auf dem sechsten Platz in der Liga. Der Trainer Alexander Schmidt, ein Eigengewächs, hat einen erkennbaren Stil. Die Sechzger hatten sich vorgenommen, den Aufstieg für 2015 anzupeilen. Aber dann ist da eben auch noch Hasan Ismaik.

Bis heute weiß man nicht viel über den Investor aus Kuwait

Ein palästinensischer Investmentbanker hat den Kuwaiter Ismaik an den TSV 1860 München 2011 vermittelt. Man weiß bis heute nicht viel über ihn, obwohl er ein paar Mal bei Spielen war: er hat ein rosiges Gesicht mit Bart und trägt eine Brille. Ansonsten ist er ein beleibter Mann mit viel Familie, der sein Geld „mit Öl und Immobilien“ verdient, sagt er. Die Sechzger, damals kurz vor der Insolvenz, ketteten sich an Ismaik, der 49 Prozent am Club hält, mehr ist nicht erlaubt. Er zahlte 6,5 Millionen Euro ein. Seitdem hat der Verein für seine Verhältnisse gut gewirtschaftet und Schulden abbezahlt. Natürlich dauere es noch „bis zur schwarzen Null“, sagt der Geschäftsführer Robert Schäfer, aber es könne werden. Bankbürgschaften von Ismaik für die nächsten Spielzeiten gibt es allerdings keine. Aber Pläne. Von Ismaik sprechen die Löwen-Fans auf dem Trainingsgelände an der Grünwalderstraße in zwei Varianten. Die einen sagen „Investor“. Die anderen „Scheich“. Es klingt beides nicht gut.

Araber lieben München. Es ist eine aufgeräumte Stadt. Und es gibt viel zu kaufen. Sie bevölkern die Maximilianstraße und die Schönheitskliniken. Und wenn sie ein marodes Pferdegut kaufen, wie es die in Oberbayern mitunter gibt, dann lässt die Kommune schon auch mal über ein Stück Straße mit sich reden. Auch Ismaik will anscheinend mehr machen aus dem TSV 1860 München. Gegen Paderborn saß zum dritten Mal der ehemals englische Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson in der Loge und machte emsig Notizen. Eriksson hat früher in einer Saison so viel verdient, wie der halbe Profikader von 1860 wert ist. Er stiftet Unruhe. Dass er nicht als kommender Trainer hier sei, sondern, wie er in der Halbzeit sagt, „als Freund und Berater von Ismaik“ ist keine Beruhigung, schließlich gibt es, wiederum in England, ein Modell, wie man mit Geld von fremder Hand eine Meistermannschaft baut: Manchester City.

ManCity sind die Löwen aus Englands Nordwesten. Früher gegründet als der Nachbar United, aber auch mehrere Male zwischendurch runtergewirtschaftet. Von Gaunern und Gutgläubigen, die ja oft nicht viel besser sind. Auch Sechzig, da kann man heute jeden fragen, und jeder hat’s gewusst, hatte viele wohlmeinende, verantwortliche Menschen in der Post-Wildmoser-Phase. Aber am Ende war es immer dasselbe: man musste die Brillanten verkaufen, unter anderem die Bender-Zwillinge.

Will Ismaik mit 1860 Manchester United nacheifern?

Bei Manchester City hat es der Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan genau umgekehrt angefangen. Er kaufte die Brillanten. Und letztes Jahr war ManCity Meister. Will Hasan Abdullah Mohamed Ismaik etwas Ähnliches mit den Sechzigern veranstalten? Alles umkrempeln, in der Arena bleiben, einen Retortenklub hochziehen? Das wollen die Leute wissen. Und Lothar Matthäus, der sich als Trainer ins Spiel bringt. Als Dominik Stahl, ein feiner Mittelfeldspieler, diese Woche vom Training kam, fasst er in zwei Worten zusammen, wie man den Zustand nennt, in dem der TSV schon jahrzehntelang lebt, irgendwo zwischen halber Himmelsetage (selten) und tiefer Hölle (häufig): „Sechzig live, oder?“, sagte er – und ging duschen. Das ist es.

Am Mittwoch und auf Mitternacht hin bei der Delegiertenversammlung des TSV 1860 wissen nicht einmal Dieter Schneider und Franz Maget ganz genau, wie’s weitergeht. Dieter Schneider, freiwilliger Richter, CSU-Mitglied und erfolgreicher Unternehmer, Mitte sechzig, hat sich seit dem Beginn seiner Präsidentschaft vor gut anderthalb Jahren schon ein paar Magengeschwüre geholt, bleibt aber freundlich. Vor der Versammlung in Planegg in der Großgaststätte Heide-Volm geht er zu jedem, den er nicht auf Anhieb kennt, und sagt: „Grüß Gott, Schneider!“ Dann verteidigt er den Investor, „ohne den es nicht gegangen wäre“, verhehlt allerdings auch nicht, dass 1860 keinesfalls sofort mit spränge, wenn Ismaik à la Scheich Mansour pfiffe. Schneiders Devise ist „Schritt für Schritt“, was unter Sportsfreunden bei 1860 heute simpel heißt, dass man, wenn die Ringer neue Matten haben möchten, dafür sparen muss. Ob Ismaik das auch nur ahnt?

Verkompliziert wird die Lage, weil die Sechzger noch einen anderen großen Wunsch haben: Auf der letzten Mitgliederversammlung des FC Bayern in der Olympiahalle hatte Uli Hoeneß gesagt, er werde an der Spitze der Kapelle marschieren, wenn man die Sechzger aus der Arena („unserem Stadion“) je hinausbekäme. Der Witz ist, sie gingen. Wenn sie könnten. Am Schluss der Versammlung entsteht diesbezüglich eine seltsame Konstellation, als das Aufsichtsratsmitglied Siegfried Schneider, ehemals Chef der Staatskanzlei, mit Franz Maget den Plan entwickelt, der TSV 1860 könnte in München-Riem wieder ein eigenes Stadion bauen. Die Stadt prüfe das jedenfalls. Ein Traum, der 50 Millionen Euro kostete. Andererseits gehört das Träumen zum Leben, und so erinnern ein paar Leute, die jetzt in Planegg aufspringen und „Nach Riem!“, „Nach Riem!“ und, ganz verzückt manche, „Eigenes Stadion!“ rufen, tatsächlich an die „Drei Schwestern“ von Anton Tschechow, einem Theaterstück, in dem eben diese drei Schwestern ganz weit draußen auf dem Land sitzen und sich dennoch unentwegt „Nach Moskau!“ wünschen. Immer wieder. Sie kommen da nie hin, und keiner hat Geld (das kommt dazu), aber viel Geduld und noch mehr Leidensfähigkeit. Das Stück ist ein Drama. Aber mit sehr komödiantischen Zügen.