Schiffsarzt Jörg Gaiser aus Stuttgart ist auf den Meeren im Einsatz. Mehrere Speziallehrgänge musste er absolvieren, um als Schiffsarzt tätig werden zu dürfen.

Stuttgart/Catania - Die Wellen brechen hart am Bug des Schiffs; bei der Passage durch die Straße von Messina weht ein rauer Wind. Wenn das Traumschiff über die Weltmeere schippert, dann muss sich Schiffsarzt Dr. Wolf Sander (Nick Wilder) nur selten mit ernsten Gebrechen auseinandersetzen. Herzschmerz steht im Drehbuch – „für dessen Behandlung bleibt im realen Leben aber nur selten Zeit“, sagt der Stuttgarter Arzt Jörg Gaiser. Er hängt den weißen Kittel in der heimischen Praxis häufiger an den Nagel und zieht sich für längere Zeit eine adrette, weiße Uniform an. Der 51-Jährige ist Doktor an Bord der „Mein Schiff 2“ der Hamburger Reederei Tui Cruises.

 

Zuletzt war das Schiff zu gleich drei Event-Kreuzfahrten unterwegs. Bei der Full Metal Cruise, der World Club Cruise und der ersten Seereise für Lesben und Schwule („Rainbow Cruise“) hatte er viel mit den üblichen Wehwehchen zu tun. „Seekrankheit kommt gelegentlich vor“, sagt Gaiser, der seit mehr als 15 Jahren als Allgemeinmediziner im Raum Stuttgart tätig ist, „meist ist es aber all das, was man auch aus der Hausarzt-Praxis kennt: Husten, Schnupfen, Erkältungen oder kleinere Schnittwunden.“ Das Team des Bordhospitals könne auch reanimieren und stabilisieren, „größere Operationen machen wir aber nicht.“ Das sei auch nicht nötig, wo das Schiff doch alle paar Tage in einem größeren Hafen anlege. „Gips und Schienen anlegen, Notfall-Röntgen und Sonographie – man muss schon ein Multitalent sein.“

Behandlung an Bord kann teuer werden

Zwischen 40 und 50 Fälle stellen sich täglich bei Jörg Gaiser und dem „Senior Doctor“, dem zweiten Arzt an Bord, vor – darunter nicht nur Gäste, denn auch für Crew sind die Mediziner an Bord wichtige Ansprechpartner für kleinere Wehwehchen und größere Erkrankungen. Das Interview mit dem Schiffsarzt wird unterbrochen durch einen Notfall: Ein Crew-Mitglied hat sich schwer am Auge verletzt. Beide Mediziner befinden, dass eine Ausschiffung – das Verlassen des Schiffs – nötig wird. „Für Urlauber ist eine gute Reisekrankenversicherung fürs Ausland sehr wichtig“, rät der erfahrene Arzt nach seiner Rückkehr vom Noteinsatz; denn an Bord könne eine Behandlung teuer werden. Auch die Abgabe von Medikamenten sei strikt reglementiert und ohne einen Besuch beim Arzt nicht möglich, auch das treibt die Kosten. „Schon eine Packung Aspirin ist hier recht teuer.“ Das Bordhospital sei eher die Notaufnahme einer Klinik und keine freiverkäufliche Apotheke.

Mehrere Speziallehrgänge musste Jörg Gaiser absolvieren, um als Schiffsarzt tätig werden zu dürfen. „Die Anforderungen sind hoch – für den Dienst an Bord kommen in der Regel Allgemeinmediziner, Chirurgen, Internisten und Anästhesisten in Frage“, berichtet der Stuttgarter, „entsprechend viel Erfahrung ist Grundvoraussetzung.“ Etliche weitere Lizenzen und Dokumente fordere die Reederei; dann könne die Reise aber auch schon beginnen – und man werde mit den vielen goldenen Streifen auf der Schulterklappe auch gelegentlich mit dem Kapitän verwechselt.

Kollegen werden zur Ersatzfamilieiffiffsarz

„Es ist witzig, wenn Jörg gefragt wird, wieviel Pferdestärken die Maschinen des Schiffs haben“, sagt Ehefrau Petra, die ihren Mann bei seinen Dienstreisen gelegentlich begleitet. „Klasse, dass man als Schiffsarzt für kurze Zeit auch mal die Frau mitnehmen kann und es ist auch ein echtes Privileg“, erklärt Gaiser. Denn der Großteil der fast 800 Mann starken Besatzung reise allein; in der Crew entstehe aus Arbeitskollegen schnell eine Art Ersatzfamilie. „Und eins gilt auch für mich: Man ist hier praktisch sieben Tage in der Woche im Dienst.“ Gerade das Zusammenleben mit einem Team aus 40 Nationen sei für ihn aber immer wieder faszinierend. „Was an Land oft zu Konflikten führt, klappt hier wunderbar. Alle sitzen eben in einem Boot und halten zusammen.“