Die Neckarvorstadt ist einer der ältesten Cannstatter Stadtteile. Peter Kieferle hat sich eingehend mit der Geschichte seiner Heimat beschäftigt und sogar ein Buch darüber geschrieben.

Bad Cannstatt - Wenn Peter Kieferle durch die Neckarvorstadt schlendert, kommen Erinnerungen hoch: „Dort war der Bäcker, dort der Metzger, hier eine Heißmangel und da ein Bekleidungsgeschäft.“ In einem Haus an der Hallstraße ist der Cannstatter aufgewachsen und erinnert sich gerne an seine Kindheit, auch wenn es in der Neckarvorstadt seinerzeit manchmal laut und dreckig zugegangen sei, weil viele produzierende Betriebe dort ihren Sitz hatten.

 

Obwohl er inzwischen nicht mehr im Stadtteil lebt, ist ein Stückchen seines Herzens dort geblieben, weshalb sich der ehemalige Bauingenieur eingehend mit der Geschichte des Gebiets beschäftigt hat. Unzählige Stunden hat er in den vergangenen fünf Jahren in Archiven zugebracht, gelernt, alte Handschriften zu lesen und zu deuten. Herausgekommen ist ein Buch mit dem Titel „Die Neckarvorstadt zu Cannstatt“, das Kieferle im Selbstverlag veröffentlicht hat.

Am längsten besiedeltes Gebiet

Ausgehend vom Jahr 1823, dem Jahr der ersten erhaltenen Flurkarte, hat er sich rückwärts in die Geschichte eingearbeitet, die bis mindestens in 13. Jahrhundert reicht: „Um 1230 ist die Wasserburg Brie belegt“, erklärt Kieferle. Rund um dieses Bauwerk an der heutigen Hallstraße, im Abschnitt zwischen Aachener Straße und Brückenstraße dürften sich zu dieser Zeit auch schon erste Wohnhäuser befunden haben, das Gebiet zwischen heutiger Hallstraße und Duisburger Straße gehört zu den am längsten besiedelten Gebieten des Cannstatter Stadtteils. „Auch entlang der heutigen Brückenstraße werden schon früh erste Häuser nachgewiesen“, sagt Kieferle. Es sei auch wahrscheinlich, dass bereits vorher erste Siedlungen auf der Gemarkung gegeben habe – „die schriftliche Überlieferung endet nur meist im 13. Jahrhundert“, erklärt der Cannstatter.

Rückschlüsse auf frühere Besiedelung lassen sich aus archäologischen Bodenfunden ziehen, darunter Amphorenteile, ein römischer Brunnen, Schmuck und Münzen: „Es muss bereits in der Römerzeit einen See gegeben haben, darauf weist ein Fund an Münzen hin, die vermutlich den Quellnymphen geopfert wurden.“ Später stand an dieser Stelle dann die Wasserburg Brie, was wiederum ihren Namen erklärt.

Manchmal muss man Umwege gehen, um noch erhaltene Teile der Baugeschichte zu entdecken, weiß der Hobby-Historiker und zeigt auf ein ehemaliges Eingangsportal aus dem Jahr 1608, das von der Brückenstraße in den Innenhof verlegt wurde. Es sind vor allem Handwerker, Bauern und Taglöhner, darunter auch viele Wengerter, die in der Neckarvorstadt leben, entsprechend bescheiden sind viele der noch erhaltenen Häuser. Viele bergen kleine Geheimnisse: So gibt es in einem Haus zum Beispiel im Gewölbekeller einen eingemauerten Grabstein des Vorbesitzers. Industrialisierung und der Zug in die Großstädte lassen die Neckarvorstadt zwischen 1870 und dem ersten Weltkrieg auf heutige Größe anwachsen.

Einwohner: 4217

Fläche: 148,2 Hektar

Besonderheit: Spuren der Römer Buch: Das Buch „Die Neckarvorstadt zu Cannstatt“ ist erhältlich bei Bücher Wagner, Marktstraße 34, und im Stadtmuseum Bad Cannstatt, Marktstraße 71/1.