Mit dem Hafen ist Stuttgart mit allen Ländern der Erde verbunden. Der Hafen ist die Drehscheibe für die Industrie im ganzen Land.

Untertürkheim – Schiff Ahoi!“ heißt die Grußformel der Schifffahrt. In der Landeshauptstadt gängiger ist aber: „Hoi, a Schiff!“ Klaus Riegraf kennt den alten Witz. Er erzählt ihn immer wieder gern – auch um ein gängiges Missverständnis aufs Korn zu nehmen: „Viele wissen gar nicht, dass Stuttgart einen Hafen hat. Schon gar nicht, dass die Stadt mit ihrem Hafen mit den großen Seehäfen an der Nordsee verbunden ist, über die hiesige Industrieprodukte in alle Welt verschifft werden.“ Und weil er nun schon mal in der Laune ist, ruft er: „Eisberg voraus!“ Ein Schwan gleitet ins Blickfeld, ein Schwarm Nilgänse segelt vorbei. „Kormorane, Enten und Graugänse sind hier wie zuhause“, sagt der Betriebswirt und Speditionsfachmann, der bei der städtischen Hafengesellschaft für die Bahnlogistik zuständig ist. „Auch die Fische fühlen sich hier wohl. Ich habe mal einen Angler mit einem ein Meter großen Wels gesehen.“

 

Aber natürlich ist Riegraf hier nicht auf Frühschicht, um die Tierwelt zu erläutern, sondern um einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren. Und wie bestellt, fährt eben die mit Containern voll beladene Öhringen ein und legt am Container-Terminal an. Dort herrscht Hochbetrieb. Morgens um sieben Uhr hat Ana-Maria Kovacevic bereits „20 Lastwagen losgeschickt“. – „Annahme, Abladen, Aufladen und weg!“

Allein von Daimler gehen jeden 60 Container hinaus

Harry Riegel etwa ist in aller Herrgottsfrühe von BASF in Ludwigshafen losgefahren. Jetzt hat er Fracht für Illertissen bei Ulm. Im 10-, 15-Minuten-Takt sorgen die beiden Container-Kräne für Durchlauf. Wie der Balg einer Ziehharmonika ballen und recken sich Kabel und Führbänder an den Ausladern. De Brejke Rotterdam ist auf Containern zu lesen, MSC HAPAG Int., China Shipping, eine Hongkong- und Hunday-Krakelüre. Allein von Daimler gehen hier Tag für Tag 50 bis 60 Container hinaus in die Welt. Export, Import. Globaler Warenverkehr.

„Der Hafen ist eine Drehscheibe für die Industrie im Lande. Über 50 Unternehmen, Reedereien, Speditionen, Lagerhausgesellschaften, und Handelsfirmen sind auf dem hundert Hektar großen Hafenareal angesiedelt“, erläutert Riegraf und ergänzt: „Hier haben rund 3000 Menschen ihre Arbeitsplätze.“ Das Container-Terminal ist das kompakte Herzstück des Hafens, längst zu klein, weshalb die perspektivische Erweiterung in Planung ist: „Schiffe sind das billigste und umweltfreundlichste Transportmittel, Container die Zukunft. Auch des Stuttgarter Hafens“, betont Riegraf. Im Linienverkehr fahren die Schiffe über Neckar und Rhein via Rotterdam und Amsterdam. Und zurück. Gut drei Tage dauert eine Fahrt.

Es ist ein gutes Zeichen, wenn am Schrottplatz viel los ist

Bedeutend wird der im Jahr 1958 eröffnete Hafen aber erst durch die taktgenaue Verknüpfung von Schiff, Schiene und Straße. Einen „tri-modalen Umschlagplatz“ nennt Riegraf deshalb den Stuttgarter Hafen; 14 Gleise stehen dem Güterverkehr zur Verfügung. Etwa für die Steinkohle aus Australien fürs Kraftwerk in Münster. Oder für den Ölhafen, über den Benzin, Diesel und sonstiger Kraftstoff an die Tankstellen im Ländle geliefert wird.

Und wenn die Konjunktur brummt, dann zeigt sich das auch an der Stelle, wo die Schiffe mit Metallschrott beladen werden. „Es ist ein gutes Zeichen, wenn am Schrottplatz viel los ist“, sagt Riegraf. 1200 Tonnen fasst die Lux Verra, auf der sich bereits der Schrott türmt: „Das Schiff bringt den Schrott zu den Badischen Stahlwerken nach Kehl, wo er zu Baustahl verschmolzen wird. Den bringen die Schiffe dann ins Zentrallager nach Plochingen.“

Oft bringen sie auch Sand vom Oberrhein. Nicht zuletzt Quarzsand für die Gießerei von Daimler. Aber auch viel Sand fürs Baugewerbe. Ständig gehen hier voll beladene Lastwagen ab. 12 000 Tonnen wurden von hier im Juli ausgeliefert.

Nach dreieinhalb Stunden fährt der Schiffsführer Richard Chojnacki mit der Öhringen „bergab“, also in Fließrichtung des Neckars. An der Mole stehend, schließt Klaus Riegraf den Kreis mit einem Lächeln und ruft: „Schiff Ahoi!“