Wer nicht einkaufen gehen kann oder will, kann sich in Buchen im Odenwald von der Deutschen Post Lebensmittel einfach an die Haustür liefern lassen. Mit dem Pilotprojekt prüft die Firma, ob das in ländlichen Gegenden ein neues Geschäftsfeld sein könnte.

Buchen - Als der gelbe E-Streetscooter von der Post am Ende der Neubausiedlung in Buchen-Waldhausen um die Ecke biegt, wird er von den bereits Wartenden freundlich winkend begrüßt. Yilmaz Kneif, 38, hat aber keine Briefe oder Päckchen an Bord, sondern Wurst, Butter, Zahnpasta und andere Produkte des täglichen Bedarfs. Er ist für das Pilotprojekt „Meine Landpost“ unterwegs, mit dem die Deutsche Post einen neuen „Service zur Stärkung der Versorgung im ländlichen Raum“ testet – und zwar im Raum Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis) und im bayerischen Kreis Hof.

 

Gerufen haben die Landpost Volker Egenberger, 48, und seine Frau Uschi, 53. Er ist Computerexperte, beruflich viel unterwegs und hat im Zug auf dem Handy vom neuen Service der Post gelesen. „Das probieren wir mal aus“, habe er, zu Hause angekommen, angesichts des leeren Kühlschranks beschlossen und gleich in die Tat umgesetzt. „Die Brötchen waren besser als die, die du neulich mitgebracht hast“, lobt seine Frau und zückt den Einkaufszettel. Die Backwaren bezieht die Landpost jeden Morgen von einem örtlichen Bäcker. Alles andere stammt vom Online-Supermarkt Allyouneed Fresh, der zur Post gehört.

Die Preise sind marktüblich

Bierschinken und Salami (eingeschweißt), Eier, Butter, Weizenbier – Kneif sucht auf der Produktliste nach den Nummern der Boxen, in denen sich das Gewünschte befindet, und legt alles in die gelbe Posttasche der Kundin („recycelt aus alten PET-Flaschen“, merkt er stolz an, „ein Geschenk beim ersten Einkauf“). Mit einem Spezialschlüssel öffnet Kneif eine Luke im Wagen, in der sich der Computer für die eingehenden Bestellungen und die Kasse befinden. Die Preise liegen auf dem marktüblichen Niveau. An den gelben Wagen kommen auch der Nachbar Bernhard Megler, 65, der den Service schon mehrfach genutzt hat, und die Nachbarin Beate Leopold, 56, die ihn mal ausprobieren will. Die Motive sind bei allen gleich: „Wir wollen das Projekt unterstützen“, „das ist doch für ältere Leute ideal, die nicht mehr mobil sind“, „tolle Idee“.

Nötig haben die vier den Service nicht. Keiner hat bisher Lebensmittel online geordert, alle sind mobil, könnten also in die Stadt Buchen fahren. Was sie sonst auch müssen: In rund der Hälfte der 13 Buchener Stadtteile gibt es keine Einkaufsmöglichkeit mehr. Das war einer der Gründe, warum die Entscheidung für den Testlauf auf die 18 000-Einwohner-Kommune im Odenwald fiel. Der Post-Sprecher Gerold Beck zählt auf: „Die Bevölkerungsdichte, Art, Umfang und Erreichbarkeit der regionalen Infrastruktur sowie die logistische Erreichbarkeit und die Technik von unserer Seite waren die Aspekte bei der Auswahl.“ Er räumt ein: „Bei der Inanspruchnahme gibt es noch Luft nach oben.“

Kunden haben drei Möglichkeiten

Geworben hat die Post mit einem Brief inklusive 10-Euro-Gutschein an alle Buchener Haushalte. Viele Medien hätten über den mobilen Supermarkt der Post berichtet, sagt Beck: „Und das Servicemobil ist mit entsprechender Werbung und Telefonnummer in der betreffenden Region täglich unterwegs.“ Das heißt, auf Bestellung und montags bis samstags in der Zeit von 8 bis 20 Uhr. Die Kunden haben drei Möglichkeiten: Entweder sie rufen das Servicetelefon an oder schicken über eine App eine Nachricht an die Zentrale; auch eine Kontaktaufnahme über den Deutsche-Post-Buzzer ist möglich. Das eigens für den Service entwickelte Rufgerät wird auf Fingerdruck ausgelöst; Neukunden bekommen ihn in der Testphase kostenlos am Servicemobil von Yilmaz Kneif ausgehändigt.

Für den Test eines mobilen Supermarkts hat die Post gute Gründe. Immerhin ist das einstige Staatsunternehmen mit dem Postservice von der Hallig bis an die Zugspitze vertreten – „ab 2000 Einwohner haben wir uns verpflichtet, eine stationäre Einrichtung anzubieten“ (Post-Sprecher Beck) –, und auch der Online-Supermarkt Allyouneed Fresh würde mit der Landpost ordentlich Fahrt bekommen. Außerdem können sich die Supermarktkunden ab einem Einkaufswert von 20 Euro Bargeld direkt bei Kneif auszahlen lassen. „Einen frankierten Brief nehme ich natürlich auch mit“, sagt der freundliche Postler.

Ohne Internet kein Post-Einkauf

Ende November endet der Testlauf, dann werden die Ergebnisse ausgewertet. Was lässt sich die Deutsche Post den Versuch kosten? Wann fallen Entscheidungen? Wie viel müsste umgesetzt werden, damit sich das Projekt lohnt? Dazu gibt der Pressemann Beck keine Auskünfte. Andere Städte, das darf er immerhin sagen, hätten Interesse an dem Projekt angemeldet.

Zurück nach Buchen-Waldhausen. Der 79-jährige Vater von Volker Egenberger könnte den Buzzer nutzen, meint der Sohn und fragt, ob Kneif ihm das Gerät nicht einfach überlassen könne. Dieser testet bereitwillig das digitale Rufgerät mit dem Callcenter – es funktioniert. Doch dann die Ernüchterung: Der Vater Egenbergers wohnt nicht oben in der Neubausiedlung, sondern unten im Ort. „Da gibt es keinen Empfang.“ Einkaufsmöglichkeiten und schnelles Internet sind gleichermaßen Mangelware im ländlichen Raum. Aber das ist eine andere Geschichte.