Seit dem Vormittag werden Reisende an der deutsch-französischen Grenze am Oberrhein streng kontrolliert. Das führt zu Staus – aber nicht zu totaler Abschottung.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Karlsruhe/Freiburg - Die heikle Flanke Baden-Württembergs ist die Grenze am Oberrhein zum Corona-Krisengebiet Elsass. Doch richtig dicht ist die deutsch-französische Grenze auch am Tag nach der Ankündigung des deutschen Innenministers nicht. Es sind zwar kleinere Übergänge geschlossen worden, und die Bundespolizei kontrolliert an den noch geöffneten. Aber nur wer „keinen triftigen Grund“ für den Grenzübertritt hat oder krank aussieht, muss wieder umkehren. Berufspendler und Warenlieferanten dürfen passieren.

 

Dass die Deutsche Bundespolizei an der Grenze ernst machen würde, mochten offenbar vor allem viele Franzosen nicht glauben. Die Staus auf der Europabrücke zwischen Straßburg und Kehl (Ortenaukreis) am Montagvormittag waren beachtlich und die längere Kolonne stand Richtung Deutschland. Nicht wenige Fahrzeuge mit französischen Kennzeichen mussten umdrehen, für sie wurde extra eine Wendeschleife eingerichtet. Zuvor wurden den Fahrern die Papiere abgenommen und nach vollzogener Wende wieder ausgehändigt.

Schlangen aus Frankreich länger

Der Grenzübergang zwischen Kehl und Straßburg ist einer von nur noch vier Übergängen im Bereich des nördlichen Oberrheins, der geöffnet ist. Auch Rheinau und Iffezheim rheinabwärts und Altenheim rheinaufwärts sind noch passierbar, Nonnenweier hingegen nicht. „Die meisten Leute machen gut mit, das Verständnis für die Einschränkungen überwiegt“, berichtet eine Sprecherin der Bundespolizei in Offenburg. „Viele Pendler halten die Gehaltsabrechnung an die Scheibe, wenn sie vorfahren.“

Man rechnet damit, dass Pendler rasch von ihren Arbeitgebern eine Bescheinigung bekommen, wonach sie am Arbeitsplatz gebraucht würden. Bisher gibt es solche Bestätigungen nicht. Aus dem Elsaß fahren täglich über 20 000 Menschen über den Rhein zur Arbeit. Große Unternehmen wie der Versandhändler Zalando in Lahr würden ohne die Beschäftigten aus dem Elsass still stehen. Auch der Europa-Park Rust, der nun vermutlich seinen Saisonstart am 28. März verschieben muss. Die Wasserwelt Rulantica ist ab Dienstag geschlossen.

Verständnis für Grenzkontrollen

Ob die Grenzkontrollen die Verbreitung des Virus wirklich eindämmen, muss sich zeigen. Aus der früheren Frage: „Haben Sie was zu verzollen?“ ist ein besorgtes: „Fühlen Sie sich gesund?“ geworden. Ein ungewöhnlicher Satz von Polizisten an der Staatsgrenze. Aber es hätten bei den Kontrollen durchaus Menschen eingeräumt, Fieber zu haben und dann Verständnis gezeigt, dass sie wieder umkehren mussten. „Es läuft im Moment allerdings noch sehr viel auf Vertrauensbasis“, betont die Polizeisprecherin. Die Möglichkeiten, zu tricksen seien noch groß. Zwar sei man von übergeordneter Stelle gut eingewiesen worden, aber das offizielle „Notifikationsschreiben“ des Bundesinnenministeriums stünde noch aus. Das Papier also, auf dem detailliert steht, warum die Personenfreizügigkeit an der innereuropäischen Grenze ausnahmsweise auf Zeit aufgehoben sei und was genau die Bundespolizisten tun dürfen und was nicht.

Eine Rechtsunsicherheit gibt es deshalb nicht, den Anordnungen der Grenzpolizei ist Folge zu leisten und nicht Einsichtige könnten nicht folgenlos die Grenze durchbrechen, ein Verfolgungsfahrzeug steht demonstrativ bereit, und die massive Polizeipräsenz wird in den nächsten Tagen noch zunehmen, es werden Kräfte aus anderen Bereichen an die noch geöffneten „Hotspots“ verlegt. Das wird auch schon deshalb nötig sein, weil Grenzverkehr in der Ortenau nicht nur über die Straße, sondern auch auf der Schiene abläuft.

Die Tram zwischen Kehl und Straßburg steht

Die deutsch-französische Tram zwischen Kehl und Straßburg ist bereits geschlossen, aber die Ortenau-S-Bahn und die Fernzüge fahren nach wie vor. Was bedeutet, dass die Züge in Kehl gestoppt und dort von der Bundespolizei kontrolliert werden. Im Falle eines TGV resultiert daraus eine Verspätung von einer halben Stunde. Aber dass Passagiere ohne „triftigen Grund“ zum Aussteigen gezwungen würden, sieht die Polizeisprecherin derzeit als „nicht vorstellbar“.

Auch am südlichen Oberrhein zwischen Weil am Rhein und Breisach haben die Kontrollen an den drei (von zehn) verbliebenen Übergängen Palmrain-Brücke, Autobahnkreuz Neuenburg und Breisach am Rhein zu langen Wartezeiten bis zu 45 Minuten geführt. Über die Autobahn kommt derzeit viel Rückreiseverkehr aus Spanien. Der Regionalzug „Blauwal“ von Mulhouse nach Müllheim fährt nicht mehr.

Einkaufstouristen müssen draußen bleiben

Die Kontrolleure an den Grenzen müssen viel Überzeugungsarbeit leisten. „Jeder Reisende bringt eben seine Version für den Reisegrund mit an die Grenze“, erklärt ein Sprecher der Bundespolizei in Weil am Rhein. Und weil „triftiger Grund“ eben ein dehnbarer Begriff ist, dauere es, bis man sich geeinigt hat.

Zu den Pendlern und Warentransporteuren kommen zwei weitere Gruppen hinzu, denen der Verzicht auf den Grenzübertritt schwer fällt. Den Deutschen, die im Elsass preisgünstiger als in Baden wohnen, vielfach Hauseigentümer. Und Einkaufstouristen. „Einem deutschen Staatsbürger kann die Einreise nach Deutschland nicht verweigert werden“, stellt der Polizeisprecher klar. Shopping hingegeben falle aber eindeutig nicht unter den Begriff „triftiger Grund“.