Kaum ein Eigentumsdelikt verstört die Opfer so sehr wie ein Einbruch. Zu dem materiellen Schaden kommt die Verunsicherung, da fremde Menschen sich rücksichtslos Zugang zum geschützten privaten Raum verschafft haben.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Waiblingen - Jetzt, im Winter, ist es wieder da. Dieses Gefühl der Beklommenheit. Für ein paar Jahre hatte sich Sibylle W. (Name geändert) wieder sicherer gefühlt, doch die vielen Meldungen über Einbrüche im vergangenen Jahr haben alte Erinnerungen wieder aufkommen lassen.

 

Vor rund zehn Jahren, an einem Sonntagabend im November, kommt die Waiblingerin von einem Wochenendtrip nach Hause. Im Flur denkt sie noch, sie habe die Schubladen einer Kommode nachlässig zugeschoben. Doch als sie auf dem Weg ins Wohnzimmer auf dort verstreuten Schmuck tritt und die durchwühlten Schränke sieht, wird ihr klar: In ihre Wohnung ist eingebrochen worden.

Kein anderes Eigentumsdelikt wiegt emotional so schwer

„Es fehlte etwas Bargeld und jede Menge hochwertiger Schmuck“, erzählt W. Die Täter hätten sich regelrecht Zeit gelassen, den Modeschmuck von den wertvollen Stücken zu trennen. Der finanzielle Schaden ist beträchtlich, die Versicherung erstattet ihr einige zehntausend Euro. Doch viel schwerer wiegt für die Sekretärin etwas Anderes: „Das Bewusstsein, dass Fremde in die Räume eingedrungen waren, die mir eigentlich Schutz bieten sollen.“ Noch wochenlang hätten ihr die Finger gezittert, wenn sie abends die Wohnungstüre aufschloss. „Ich wusste ja nicht, ob die wiederkommen – die Elektrogeräte hatten sie ja zurückgelassen und wussten, dass es noch etwas zu holen gibt“, sagt W., die in ihrer schlecht einsehbaren Erdgeschosswohnung allein lebt.

Die Waiblingerin ist kein Einzelfall. „Es gibt Betroffene, die sich nach einem Einbruch wochenlang nicht mehr in ihre Wohnung trauen“, sagt Bernhard Kohn, der Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen, das für den Rems-Murr-Kreis zuständig ist. „Wohl kein anderes Eigentumsdelikt nimmt einen Bürger emotional so stark mit wie ein Wohnungseinbruch.“

Im Jahr 2014 wurde im Rems-Murr-Kreis 662 Mal in Wohnungen eingebrochen – gut 280 Mal öfter als im Vorjahr. Damit war die Häufigkeit der Einbrüche auf Rekordniveau. Die Zahlen für das Jahr 2015 werden laut Kohn derzeit ausgewertet, die offizielle Statistik erst im Februar vorgestellt. „Tendenziell sind die Wohnungseinbrüche etwas seltener geworden“, verrät der Polizeisprecher. Wobei das nicht falsch verstanden werden dürfe, die Einbruchszahlen seien nach wie vor auf sehr hohem Niveau. „Von einem echten Rückgang würde ich daher nicht sprechen.“

Spezielle Ermittlungsgruppe für Wohnungseinbrüche

Die Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen ist mit zehn Prozent sehr niedrig. „Die Taten werden teilweise erst Tage später bemerkt“, erklärt Kohn. Die Einbrecher seien da schon lange über alle Berge. Allerdings gelte es zu beachten, dass in den Statistiken auch erfolglose Einbruchsversuche gezählt würden, bei denen die Täter kaum mehr als Kratzspuren an der Türe hinterlassen. Bei solchen Versuchen bleibe es in mehr als einem Drittel der Fälle.

Seit etwa einem Jahr gibt es in Waiblingen eine Ermittlungsgruppe, die sich speziell mit Wohnungseinbrüchen beschäftigt. Die Beamten vernetzen sich mit ähnlichen Einheiten, die anderen Polizeipräsidien unterstellt sind. Sie sammeln und verwalten Spuren wie Fuß- und Fingerabdrücke oder DNA-Spuren und hoffen darauf, auf diese Weise Tatverdächtigen, sollten sie einmal gefasst werden, auch frühere Einbrüche nachweisen zu können. „Die Täter arbeiten allerdings hochgradig arbeitsteilig“, erklärt Kohn. Einer begehe den Einbruch, ein anderer versetze die Ware an Hehler. Das macht es für die Kriminalbeamten der Polizei noch schwieriger: Erwischen Sie einen Täter, haben sie nur ein Glied einer Kette gefasst.

Bargeld steht bei Einbrechern als Beute ganz vorne

Unter den bereits geschnappten Einbrechern sind viele Mitglieder organisierter Banden aus Südosteuropa. Die Täter arbeiten grenzüberschreitend und gehen oft sehr professionell vor. Wenn sie in Deutschland aktiv sind, ziehen sie alle paar Tage von Ort zu Ort, bunkern ihre Beute erst in einem Versteck und bringen sie dann wieder zurück über die Grenze, wo sie dann verkauft wird. Wenn die Polizei Verstecke für geraubten Schmuck entdeckt, etwa, weil Passanten zufällig auf sie gestoßen sind, ist es zudem keine leichte Aufgabe, die Schmuckstücke ihren Besitzern zuzuordnen. Findet sich kein Besitzer, wird das Diebesgut versteigert. „Die meist angestrebte Einbrecherbeute ist aber in erster Linie Bargeld“, erklärt der Polizeisprecher. Der Schmuck stehe auf Platz zwei der Wunschliste, so Kohn.

Das Polizeipräsidium Aalen hat in Fellbach eine Präventionsstelle eingerichtet, die Bürger, die ihre Wohnung sicherer machen wollen, kostenlos berät. Die Beamten, die dort im Dienst sind , sind allerdings derart gefragt, dass ihre Termine bis mindestens Februar ausgebucht sind. Mit mobilen Beratungsteams oder Massenveranstaltungen versuchen die Beamten, Abhilfe zu schaffen und möglichst viele Bürger zu erreichen.

Sibylle W. hat nach dem Einbruch jedenfalls vorgesorgt. Sie hat die Präventionsberatung der Polizei in Anspruch genommen, sich einen Safe zugelegt, abschließbare Fenster einbauen lassen und schließt jetzt die Fensterläden – in der Hoffnung, Einbrecher könnten vor dem Lärm, den diese beim Hochdrücken machen, zurückschrecken.