Der zweite Prozesstag wegen einer Einbruchserie offenbart die Mühsal des Gerichts und die Sorglosigkeit der Täter.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Bei der Beweisaufnahme amüsiert eine Schnapsflasche das hohe Gericht. Ein Polizist, dessen Name den Akten gerade nicht zu entnehmen ist, hat sie gewissenhaft aus vier Ansichten fotografiert, Holzgerlinger Kirschwasser aus der Brennerei Mittlere Mühle. Warum die Fotos? Ein Kollege jenes Beamten sitzt im Zeugenstand und zuckt die Schultern. Als Beispiel wohl. Eine solche Flasche gehört zum Diebesgut, das nach einem Einbruch in einen Bauernhof in Holzgerlingen fehlte, nebst Mirabellen-, Kirschenschnaps und Bargeld aus der Kasse des Hofladens.

 

Die Täter sitzen nach Lesart der Staatsanwaltschaft auf der Anklagebank. Ivaylo B. und Radostin V. sollen laut Anklage für mehr als 50 Einbrüche oder Einbruchsversuche verantwortlich sein, begangen zumeist im Landkreis Böblingen. Noch mehr als der erste, offenbarte der zweite Verhandlungstag vor dem Landgericht in Stuttgart, dass die Taten ohne jede Furcht vor Entdeckung begangen wurden.

Bewegungsmelder fand die Polizei in einem Regal

Dass ein gusseiserner Kerzenständer auf einen Terrassenboden schepperte, schreckte wohl die Opfer im Schlaf auf, trieb aber die Täter nicht in die Flucht. Bei den Einbrüchen bemühten sie sich offenbar nie um Unauffälligkeit. Ein Zeuge erzählte im Nachhinein von Taschenlampenlicht in Nachbars Garten, ein Opfer von hämmernden Geräuschen. Eine grelle Gartenlampe deckten die Täter einfach zu. Ein Hund im Haus verhalf ebenso wenig zu Sicherheit wie in der Wohnung verteilte Bewegungsmelder mit Lichtalarm. Die Polizei fand sie mit den Sensoren zur Wand in einem Wohnzimmerregal. Bei einem Einbruchsversuch in Gärtringen war wohl eine Wurst zu viel. Vermutlich dieselben Täter hatten zuvor einem Metzger Bratwürste gestohlen. Jedenfalls fanden die Bewohner eines Hauses nebst den Spuren des Versuchs, ihre Terrassentür aufzuhebeln, einen Haufen Kot auf der Terrasse.

In allen an diesem Tag aufgerufenen Fällen waren die Bewohner im Haus, gelegentlich sogar wach. Wohl hörten oder sahen manche Verdächtiges, dachten aber nicht an Einbrecher, schon gar nicht daran, die Polizei zu alarmieren. Eine Frau erwachte und sah, dass ihre am Abend nur angelehnte Schlafzimmertür verschlossen war. Eine halbe Stunde lang wagte sie nicht, das Bett zu verlassen. Derweil wurde die Wohnung ausgeräumt.

Jeder einzelne Fall wird beleuchtet

Die Richterin Manuela Haußmann bemüht die Seiten 114 bis 118 in einem ihrer Aktenordner. Vor ihr sitzt einer der Polizisten, die am Tatort ermittelten. Er bestätigt das auf Bildern Offensichtliche: Die Hebelspuren an einem aufgebrochenen Fenster sind kaum zu erkennen. Auch dies offenbart der Prozess: Welcher Mühsal das Gericht sich unterzieht, um die Schuld zu beweisen. Jeder einzelne Fall wird beleuchtet, jedes Polizeiprotokoll mit den Beamten noch einmal durchgegangen.

„Der oder die Täter“ ist die am häufigsten ausgesprochene Formel dieser Verhandlung. Der Verteidiger Marko Becker tut sein Möglichstes, darauf hinzuweisen, in welchem Fall auch einer oder mehr als zwei Einbrecher in Frage kommen. Schuhabdrücke werden abgeglichen, Fotos von zwei nebeneinander verlaufenden Fußspuren auf einem Acker betrachtet.

Womöglich verhilft eine gestohlene Espressomaschine zu Klarheit, eher wohl eine Handyüberwachung. Die Polizei registrierte sogar, zu welcher Uhrzeit die Sim-Karte im Mobiltelefon gewechselt wurde, samt der neuen Nummer. Becker beantragt, die Ergebnisse aus der Überwachung aus der Liste der Indizien zu streichen. Sie sei unzulässig gewesen.

Möglicherweise wird gerade die Sorglosigkeit bei den Taten die Angeklagten überführen. Der oder die Täter hinterließen Zigarettenkippen und tranken ein paar Schluck aus einer Saftflasche, wohlgemerkt, während das Opfer an seinem Computer arbeitete. In beiden Fällen fand die Kriminalpolizei DNA-Spuren.