Nach zweieinhalb Jahren Geldschwemme soll der Milliardenregen im nächsten Jahr etwas dünner werden. Die Notenbank stellt damit die Weichen für einen Ausstieg aus ihrer lockeren Geldpolitik – wann dieser erfolgen wird, bleibt aber offen. Zinserhöhungen sind frühestens 2019 zu erwarten.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Weichen für einen Ausstieg aus ihrer umstrittenen Billiggeldstrategie gestellt. 2018 will sie die Summe, die sie monatlich in die Märkte pumpt, halbieren: Statt 60 Milliarden Euro sollen von Januar an 30 Milliarden Euro fließen. Allerdings wurde das im März 2015 aufgelegte Programm bis Ende September 2018 verlängert. Auch eine Fortsetzung über diesen Termin hinaus ist möglich. „Einige Ratsmitglieder hätten ein definitives Enddatum vorgezogen“, sagte EZB-Präsident Mario Draghi, ohne Namen zu nennen. Zu den bekanntesten Kritikern der Geldflut gehören die beiden deutschen EZB-Ratsmitglieder, Bundesbankpräsident Jens Weidmann und Sabine Lautenschläger.

 

Auch viele deutsche Ökonomen und Wirtschaftsvertreter kritisierten den EZB-Beschluss als unzureichend. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung auf eine Normalisierung, aber der Abbau müsste schneller erfolgen“, sagte der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest. „Die EZB kauft zu viel und zu lange“, kritisierte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon erklärte: „Ich sehe wenig Licht und viel Schatten.“ Der Präsident des Bundesverbands privater Banken (BdB), Hans-Walter Peters, kommentierte den Beschluss mit den Worten: „Zwei Schritte vor, ein Schritt zurück.“

Sparer leiden unter der EZB-Politik

Die EZB hat mit ihrer seit Jahren verfolgten Billiggeldstrategie die Zinsen auf ein Rekordtief gedrückt. Als Reaktion auf die Finanz- und die Eurokrise senkte sie ihren Leitzins auf Null und griff zu weiteren Instrumenten, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Das aktuelle Programm wurde im März 2015 aufgelegt, seither hat die EZB mehr als zwei Billionen Euro in die Märkte gepumpt. Sie erwirbt dazu Staatsanleihen und andere Wertpapiere von Banken und Versicherungen in der Erwartung, dass diese das Geld weiterverleihen oder anlegen und damit die Konjunktur anheizen. Gleichzeitig drücken die EZB-Käufe die Zinsen von Staats- und Unternehmensanleihen. Das bedeutet eine Entlastung insbesondere für die hoch verschuldeten Länder Südeuropas, verschärft aber die Probleme der Sparer. Denn Anleihen werden traditionell für Altersvorsorgeprodukte wie Riester-Verträge und andere Lebensversicherungen eingesetzt.

Während ein Ausstieg aus den Anleihekäufen im kommenden Jahr hier Fortschritte bringen könnte, liegt eine Anhebung der für Bankeinlagen relevanten EZB-Leitzinsen noch in weiter Ferne. Die Notenbank teilte nämlich mit, diese würden noch „weit über den Zeithorizont“ des Kaufprogramms hinaus unverändert bleiben. Da das Programm mindestens bis Herbst 2018 laufen soll, sind Zinserhöhungen also frühestens 2019 zu erwarten.

Auch Strafzinsen bleiben bestehen

Neben dem bekanntesten Leitzins von derzeit null Prozent betrifft diese Aussage auch den sogenannten Einlagenzins für die Konten der Geschäftsbanken bei der EZB. Dieser liegt aktuell bei minus 0,4 Prozent. Das bedeutet, dass die Kreditinstitute für ihre Einlagen bei der Notenbank drauf zahlen. Auch diese Strafzinsen bleiben also noch über das kommende Jahr hinaus bestehen. Sie sind besonders umstritten, weil viele Banken sie bereits an Firmenkunden weitergeben. Einige Institute belangen auch reiche Privatkunden mit Strafzinsen.

Die EZB begründet ihren Zeitplan vor allem damit, dass die Inflationsrate zu niedrig sei. Die Notenbank peilt eine Teuerungsrate „nahe, aber unter“ zwei Prozent an. Dieses Ziel wurde schon vor mehr als zehn Jahren als Puffer gegen Deflationsrisiken festgelegt. Zuletzt lag die Inflationsrate im Euroraum bei 1,5 Prozent.

Die Börse jubelt

Die Inflationsentwicklung ist laut EZB-Beschluss auch entscheidend für die Frage, ob die Notenbank ihr Kaufprogramm im Herbst 2018 noch einmal verlängert. Notenbankchef Mario Draghi sagte auf Nachfrage, die Käufe würden „nicht abrupt enden“. Damit scheint möglich, dass er das Programm erst nach einer weiteren Reduzierung der monatlichen Kaufsumme einstellen will.

An der Börse kamen die Beschlüsse gut an: Der Deutsche Aktienindex (Dax) erklomm vorübergehend ein Rekordhoch von 13131 Punkten. Die anhaltende Versorgung der Finanzbranche mit billigem Geld erhöht die Chancen auf steigende Aktienkurse, zumal Zinsprodukte noch lange unattraktiv bleiben. Der Euro gab dagegen um ein Prozent nach. Nach den EZB-Beschlüssen dürfte sich das Zinsgefälle gegenüber den USA verschärfen , sodass Anlagen in Dollar tendenziell mehr Rendite abwerfen. Diese Aussicht drückt den Euro-Kurs.