Angela Merkel, Barack Obama oder Jack Nicholson – Martin Schoeller hat sie alle schon gehabt. Der Münchner gehört zu den bekanntesten Porträtfotografen der Welt. Ein Meister der extremen Nahaufnahme.

Bauen/Wohnen: Tomo Pavlovic (pav)

Stuttgart - Die Augen sind müde. Die Menschen haben sich längst sattgesehen an all den Selbstporträts, den Selfies, mit denen tagtäglich die sozialen Medien geflutet werden. Seitdem es diese Handykameras gibt, scheint ein Schnappschussgesicht wie jedes andere. Jeder will sein Antlitz im besten Licht präsentieren, seine Stärken betonen, die Schwächen kaschieren. Am Ende wird affektiert ins Objektiv gefeixt oder eine Entenschnute gezogen. Reine Eitelkeit. Diese Gesichter erzählen nichts.

 

Jede Sommersprosse kommt zur Geltung

Welch ein Unterschied zu den mitteilsamen Porträts von Martin Schoeller. Als Betrachter schaut man wie gebannt auf ein intensiv leuchtendes Augenpaar eines ernst wirkenden Mädchens, welches einen noch Stunden später verfolgt. Nichts wird versteckt, das Licht ist brutal, jede Hautpore, jede Sonnensprosse kommt zur Geltung. In Schoellers Studio sitzt man gewöhnlich lange Zeit auf einem harten Drehhocker.

70 Zentimeter liegen zwischen Linse und Nasenspitze, das Licht kommt aus grellen Leuchtstoffröhren. Wer sich vor die Kamera des 52-jährigen Münchners setzt, der muss mit Überraschungen rechnen. Diese Gesichter verraten mehr über ihre Besitzer, als ihnen womöglich lieb ist.

Nahaufnahmen von Stars und Sexarbeiterinnen

In einem Interview sprach er mal von einer „ehrlichen Sekunde“ im Antlitz des Porträtierten, die er sichtbar machen möchte. Trotzdem oder genau deswegen avancierte Martin Schoeller zu einem der bekanntesten und gefragtesten Fotografen Amerikas, der für seine extremen Nahaufnahmen Stars wie Jack Nicholson und Politiker wie Barack Obama porträtierte. Diese und andere Arbeiten, etwa Schoellers Serien zu Bodybuilderinnen oder Sexarbeiterinnen, zeigt das NRW-Forum in Düsseldorf noch bis zum 13. September auch in einer Werkschau.

Info zum Buch

Martin Schoeller: Works 1999–2019. Steidl-Verlag, Göttingen. 136 Seiten, 78 Abbildungen, Texte auf Englisch. 28 Euro. www.steidl.de