Notfallseelsorger haben mit den heftigsten Gefühlen zu tun: Gudrun Augenstein arbeitet seit mehr als zehn Jahren ehrenamtlich als Kriseninterventionshelferin beim Deutschen Roten Kreuz Pforzheim-Enzkreis. Ein Gespräch.

Pforzheim - Ohnmacht, Trauer, Verzweiflung, Angst, Schuldgefühle, Verleugnung, Wut: Notfallseelsorger haben nach Unglücken und Todesfällen mit heftigsten Gefühlen zu tun. Gudrun Augenstein arbeitet seit mehr als zehn Jahren ehrenamtlich als Kriseninterventionshelferin beim Deutschen Roten Kreuz Pforzheim-Enzkreis. „Unser allererstes Angebot an Betroffene ist: Wir sind da“, sagt die 52-jährige Teamleiterin in einem dpa-Gespräch. „Manche Betroffenen wollen dann reden, manche schweigen.“

 

Ganz häufig suchten die Menschen nach Gründen für das Unglück: „Wir brauchen einen Schuldigen, um etwas zu verstehen, was keiner verstehen kann“, erklärt sie. „Naturkatastrophen, an denen keiner schuld sein kann, sind für Angehörige von Todesopfern oft einfacher zu verkraften als Brände wie etwa in Titisee-Neustadt.“

„Musste er oder sie leiden?“

Viele Familienmitglieder quälten sich auch mit der Frage: „Musste er oder sie leiden?“ Nach Bränden komme schnell die Frage auf: „Was geht bei einem Erstickungstod vor sich, was bei einer Rauchgasvergiftung?“ Viele Kriseninterventionshelfer versuchen laut Augenstein, „Sicherheit zu geben in einer unsicheren Situation.“ Im Umgang mit behinderten Menschen sei dies besonders wichtig: „Bei geistig Behinderten kommt hinzu, dass die Betroffenen die Faktenlage gar nicht einschätzen können, was die Situation für sie noch unsicherer macht. Da ist dann wichtig, sie schnell mit Betreuern oder Angehörigen zusammen zu bringen.“

In ihrer Ausbildung, die nach bundeseinheitlichen Standards 80 Stunden umfasst, lernen DRK-Notfallseelsorger nach Angaben Augensteins, auch mit unerwarteten Reaktionen umzugehen: „Wir müssen die Leute wissen lassen: Da ist so etwas Tragisches, so etwas Ungewöhnliches passiert, da ist jede Reaktion möglich.“

Auch auf mögliche körperliche Folgen wie Schlaflosigkeit oder Zittern könnten Seelsorger die Betroffenen hinweisen. An ihren schlimmsten Einsatz erinnert sich Augenstein auch nach mehr als neun Jahren noch genau: „Es war im September 2003, nachdem ein Amokläufer mit einem Samurai-Schwert in Pforzheim eine Frau getötet und drei schwer verletzt hatte.“