Auf den neuen AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen wartet nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg eine schwere Aufgabe. Er muss zwischen moderaten und rechtspopulistischen Kräften vermitteln.

Stuttgart - Ihre erste existenzielle Krise hat die AfD bereits überstanden. Als Parteigründer Bernd Lucke im Streit um die politische Ausrichtung vor knapp einem Jahr im Streit die Partei verließ, schien die AfD am Ende. Mit der eskalierenden Flüchtlingskrise wuchs der ehemaligen Anti-Euro-Partei dann eher unerwartet ein neues Thema zu. Vor allem in den neuen Bundesländern warben die AfD-Politiker mit populistischen Parolen um die Gunst der Wähler – und hatten damit Erfolg. Natürlich profitiert die Partei auch in Baden-Württemberg von der Flüchtlingskrise. Sie tritt aber wesentlich moderater auf, obwohl sie auch hier bisweilen wie ein wildes Sammelbecken für Seitenwechsler, Politikneulinge und Unzufriedene wirkt, von denen viele aus ihren radikalen Ansichten keinen Hehl machen.

 

Ein politischer Graben in der AfD

Es zieht sich ein Graben durch die AfD, der gerade in Baden-Württemberg offensichtlich wird. Eine der wichtigsten Aufgaben des Spitzenkandidaten Jörg Meuthen wird es sein, dass es nach dem großen Wahlerfolg nicht zum Streit und zum Bruch zwischen den beiden Strömungen kommt. Der freundliche Professor zählt zum moderaten Lager der Partei und formuliert stets äußerst durchdacht und hat schon mehrere Talkshow-Auftritte skandalfrei überstanden. Ihm würden nie populistische oder hetzerische Parolen über die Lippen kommen. „Wir müssen nach außen geschlossen auftreten“, sagt auch Lars Patrick Berg, der im Wahlkreis 55 Tuttlingen/Donaueschingen, ein Mandat geholt hat und ebenfalls zum moderaten Flügel zu rechnen ist. Der falsche Weg sei es aber, Meinungen zu unterdrücken. „Oberstes Prinzip ist es, dass alle Mitglieder angehört werden“, erklärt Berg, „danach muss in der Sache hart diskutiert werden, um eine gemeinsam Position zu finden.“ Und er wiederholt: das alles müsse hinter verschlossenen Türen geschehen. Offensichtlich soll in Baden-Württemberg ein Szenario wie in Thüringen vermieden werden, wo nach der Landtagswahl Ende 2014 die AfD-Fraktion in einem schmutzigen Grabenkrieg versank und sich schließlich gespalten hat.

Auch der künftige AfD-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner kennt die Verhältnisse in Thüringen, hat er doch den überaus umstrittenen Erfurter Kollegen Björn Höcke zu einer Wahlveranstaltung nach Geislingen eingeladen. Seine Sympathien für den provozierenden Rechtsaußen sind offensichtlich. Schon die Einladung Höckes, den Teile der AfD wegen seiner demagogischen Umtriebe gerne aus der Partei werfen würden, war eine Provokation des gemäßigten Flügels im Land. Es habe, sagt Fichtner, darüber im Vorfeld durchaus Diskussionen gegeben. Aber im Sinne der Meinungsfreiheit sei Höckes Stimme in der Partei wichtig. Auch Heinrich Fiechtner formuliert gerne scharf und provoziert gerne. Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn von den Grünen nannte er einen „miesen faschistoid-populistischen Scharfmacher“. Im April teilte er laut einem „Bild“-Bericht zum Geburtstag Adolf Hitlers auf Facebook dessen Foto mit dem Satz: „Der wichtigste Politiker bis heute.“ Das sei Satire, sagte Fiechtner später.

Die Freunde von Björn Höcke

Auch die stellvertretende Landesvorsitzende Christina Baum zählt sich zu den Freunden Björn Höckes und darf nicht nur deshalb zum deutschnationalen Flügel der Landespartei gezählt werden. Die künftige Landtagsabgeordnete hat auch schon bei Höckes regelmäßigen und gut besuchten Demonstrationen in Erfurt gesprochen – unter anderem zu ihrem politischen Lieblingsthema, der Meinungsfreiheit.

Baum, die 1956 in Thüringen geboren wurde, schrieb in ihrer offiziellen Vorstellung im Netz von einer Indoktrination seitens der EU „mit dem Ergebnis einer völligen Gleichschaltung der öffentlichen Meinung und einer nicht mehr selbstständig denkenden und damit leicht zu führenden Masse.“ Ihr Hauptanliegen ist der Kampf gegen die „Meinungsdiktatur“. Es herrschten hierzulande Verhältnisse, die sie so sogar in der DDR nicht erlebt habe.

Baum, die mit ihrem Mann eine Zahnarztpraxis in Lauda-Königshofen betreibt, führte im Wahlkampf als Beispiel für unterdrückte Tatsachen die „Frühsexualisierung unserer Kinder“ an. In den Kindergärten würden Kinder zu homosexuellen Handlungen und Masturbation animiert. Ziel dieser und anderer Maßnahmen der Frühsexualisierung, die von der etablierten Politik betrieben werde, sei „Freiheit für die Pädophilen und Sex ab zwölf Jahren“. Die entsprechenden politischen Grundlinien fänden sich seit 1988 auch im Parteiprogramm der CDU. „Das alles geht nur, weil niemand etwas davon weiß“, so Baum.