Das Auftrittsverbot für den türkischen Justizminister Bozdag hat Gaggenau in den Ausnahmezustand versetzt.

Gaggenau - Der Fasching, das Treiben der Maskenträger hat Tradition in Gaggenau. Das wissen auch die Rathausoberen der sonst so beschaulichen 29 000-Einwohner-Gemeinde unweit von Baden-Baden selbst. Und wie es gute Tradition ist: Über die Fastnachtstage hatten die Narren den parteilosen Oberbürgermeister Christof Florus entmachtet und zum persönlichen Adjutanten des neuen US-Präsidenten Donald Trumps ernannt.

 

Das fröhliche Spiel wurde freilich wenig später von der dramatischen Realität überschattet. Seit Donnerstag, die Nachwehen des Aschermittwochs waren noch zu spüren, steht Gaggenau tatsächlich im Blickpunkt der politischen Weltöffentlichkeit, wenn auch in anderem Zusammenhang. Bürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos), eigentlich nur der zweite Mann innerhalb der Stadtverwaltung, hatte dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag aus Sicherheitsgründen einen Auftritt verboten. Das schlug international Wellen. Und am Freitagmorgen ging im Rathaus telefonisch eine Bombendrohung ein, die den Betrieb vier Stunden lang lahmlegte. Die Polizei vermochte auch mit dem Einsatz von Spürhunden in dem schmucklosen Zweckbau nichts Verdächtiges feststellen; gegen Mittag wurde Entwarnung gegeben. Gleichwohl sitzt der Schreck auch am Nachmittag noch vielen Bürgern, die durch die Stadt flanieren, in den Gliedern.

Die Bürger unterstützen das Auftrittsverbot

Die Meinungen über die Bombendrohung sind eindeutig. „Das geht ja gar nicht“, sagt Slavo, in Gaggenau geboren, aber selbst mit Migrationshintergrund. Die Stadt habe „vollkommen korrekt“ gehandelt. „Wir stehen voll hinter ihnen“, ruft auch eine ältere Dame dem 54-jährigen Pfeiffer zu, der auf dem Platz vor dem Rathaus einem Fernsehteam gerade eines von zahlreichen Interviews gibt. „Das Ganze hat für eine Kleinstadt natürlich eine enorme Dimension“, sagt er. Sein Dienstvorgesetzter, Oberbürgermeister Florus, war zu diesem Zeitpunkt auf dem Rückweg aus dem Urlaub, den er wegen der Ereignisse abbrechen musste. Die beiden Männer an der Rathausspitze hatten sich gleichwohl in den vergangenen Tagen eng abgestimmt; auch das Landesinnenministerium sei involviert gewesen, heißt es. Pfeiffer, der im Alltag das Sicherheits- und das Baudezernat leitet, ist sich sicher, „dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben“. Ob sich mit der Bombendrohung jemand für das Verbot der türkischen Versammlung rächen wollte, blieb offen.

Mit den Türken der Stadt gibt es keine Probleme

Gaggenau, gelegen am Westrand des Nordschwarzwalds, wurde früh industrialisiert. Das Mercedes-Benz-Werk, das heute zu Daimler Trucks gehört, ist der größte Arbeitgeber am Ort. Unter anderem leben in der Kommune rund 600 Menschen mit türkischen Wurzeln – ein Grund wohl für den Justizminister aus Ankara, sich das Murgtal als Reiseziel auszusuchen. Bozdag hatte in der für maximal 500 Personen ausgelegten Veranstaltungshalle für Zustimmung bei dem Referendum über das vom türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem werben wollen. Die örtliche Sultan-Ahmet-Moschee, die dem Dachverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (Ditib ) angehört, hat dem Vernehmen nach allein mehr als 200 Mitglieder. Bereits am Donnerstag habe die Stadt den Kontakt dorthin gesucht, sagt der Bürgermeister. Sowohl beim Vorsitzenden der muslimischen Gemeinde wie beim Imam habe man „großes Verständnis für die Absage “ gefunden, versichert er.

Bürger und Politiker lobten Michael Pfeiffer, verheiratet und Vater von sechs Kindern, am Freitag als besonnen. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke nannte dessen Handeln sogar „mutig“. Der Beigeordnete will nach den Aufregungen der vergangenen Tage nun gerne wieder dem Kommunalgeschäft nachgehen. „Ich gehe nicht davon aus, dass ich so etwas noch einmal erlebe“, sagt er. Auf seinem Smartphone zeigt er ein „Posting“ aus der digitalen Welt: „Gaggenau, das kleine gallische Dorf“, steht da. Pfeiffer zeigt es lächelnd. Er wirkt fast ein wenig stolz.