Schauspieler, Comedian und geübter Ausländer mit deutschem Pass: Yavuz Köroglu ist seit zwanzig Jahren fest im Ensemble des Stuttgarter Theaterhauses.

Stuttgart - Deutsche sind angenehme Gäste. Immer pünktlich, immer korrekt. Und dann bringen sie immer etwas mit. Ausländer bringen nie etwas mit. Höchstens noch einen Ausländer – und das Publikum kringelt sich. „No Land’s Man“ heißt Yavuz Köroglus erster Comedyabend. Der Schauspieler ist seit zwanzig Jahren festes Ensemblemitglied im Stuttgarter Theaterhaus. In „No land’s man“ erlebt das Publikum einen Comedian, der selbstironisch mit Klischees zu jonglieren versteht.

 

Für die Bühne entdeckt wurde Yavuz Köroglu im „Echo“, einem Club für ausländische Jugendliche in Wien. Da konnte er schon auf der Darbuka trommeln und Beatboxen. Gemeinsam mit anderen jungen Leuten präsentierte er seine Kunst bei einem Fest – und ein Dozent des Konservatoriums für Musik und Darstellende Kunst fragte Yavuz, ob er das nicht professionell machen wolle. Yavuz war 17 und arbeitete auf dem Bau. Widerstand von den Eltern war nicht zu erwarten. Der Vater war vor kurzem gestorben, die Mutter habe nicht viel entgegnen können, sagt Köroglu heute. So wurde aus einem Bauarbeiter ein Schauspielstudent. Bald wechselte er vom Konservatorium zur Universität für Musik und Kunst.

Er musste das Schwäbische „decodieren“

„Die Schulen waren nicht mein Ding, ich war ein bisschen zu türkisch, ich kannte keinen Schiller, ich kannte nur türkisches Theater“, erinnert sich der vierzigjährige Schauspieler. Nur im Fach Improvisation konnte er schon damals sein Talent fürs Komische einbringen. In dieser Zeit liefen im Stuttgarter Theaterhaus, das noch draußen in Wangen lag, die Vorbereitungen für das Jugendstück „Was heißt hier Liebe?“. Gesucht wurde eine Besetzung für die Rolle des Paul. „Meine Wiener Mentorin schlug mich vor, und sie haben mich genommen“, sagt Yavuz Köroglu. Hochdeutsch habe er vorher nur vom Fernsehen gekannt. Und ein Jahr habe er gebraucht, um den schwäbischen Dialekt zu „decodieren“, der damals im Theaterhaus noch vorherrschte. Im Oktober 1989 fand die Premiere des frisch-frechen Aufklärungsstücks statt – und in der Hauptrolle als Paul: Yavuz Köroglu. „Was heißt hier Liebe?“ ist die erfolgreichste Produktion des Stuttgarter Theaterhauses.

Derzeit steigt der Schauspieler auch mit Vergnügen ins Kostüm eines Kängurus und gibt – in den „Känguru-Chroniken“ nach Marc-Uwe Kling – die Rolle des antikapitalistischen Beuteltiers, das Schnapspralinen liebt. „Die Geschichten sind toll, auch wenn manches politisch unkorrekt ist“, sagt Köroglu, „manche Rollen sind wie ein Geschenk, manche sind Arbeit.“ Eher Arbeit war die Rolle der Nummer 3 in den „12 Geschworenen“. Da war er der Böse, der für schuldig plädierte: „Er rächt sich für erlittene Kränkungen, aber da jeder Schauspieler vom Publikum geliebt werden will, stellt sich die Frage: Wie spielt man ein Arschloch und weckt trotzdem Empathie?“ Am schwierigsten aber sei es, einen Monolog zu sprechen. Allein auf der Bühne zu stehen, sei eine riesige Herausforderung. Deshalb habe er vor der Premiere von „No land‘s man“ auch starkes Lampenfieber gehabt. „Das liegt vielleicht an der Erziehung der Muslime. Die größte Angst ist: Was werden die Eltern denken?“.

Der Comedian greift zum Plural

Sich mit Yavuz Köroglu zu unterhalten, macht gute Laune. Er spricht schnell und gepflegt, gestikuliert mit den Händen, gibt sich offen und zugewandt. Er, der in der Kindheit nur Türkisch sprach und Deutsch im Alleingang lernte, witzelt über die Tücken der deutschen Grammatik. „Immer, wenn ich unsicher bin, ob es der oder die Brille heißt, nehme ich den Plural. Der Plural ist immer die.“ In „No Land‘s Man“ spielt Köroglu auch den langzeitarbeitslosen und alleinlebenden Osman, der die Zuschauer einlädt, in den deutsch-türkischen Kulturverein zu kommen: „Jede Menschen kann kommt, ich geh drin“ – und der Comedian scheint über sich selbst zu lachen.

Bevor sein Talent entdeckt wurde, hat er bittere Erfahrungen gemacht. Fremd war er in Wien, fremd in der Türkei, wohin er mit der Mutter zurückkehrte, als er sieben war. Und als er – zurück in Österreich – auf dem Bau schuftete, sagte ein älterer Kollege: „Mach was aus deinem Leben. Ich arbeite seit 35 Jahren hier, das ist nichts.“ Und Yavuz Köroglu macht etwas: Er wurde „ein geübter Ausländer“ mit deutschem Pass, einer kroatischen Frau und zwei gemeinsamen Kindern. Auch wenn immer diese Unruhe in ihm ist, woanders hin zu gehen – in Stuttgart ist er angekommen. „Mit ihrer kulturellen Vielfalt übt die Stadt eine große Faszination auf mich aus: je bunter, desto besser. Ich kann nicht verstehen, wenn Menschen ausgegrenzt werden“, sagt er.