Eine Schwäbin war die Mutter des Cancan von Paris. 43 Jahre lang warfen die Mädels des Moulin Rouge die Beine und Röcke hoch aufs Kommando von „Miss Doris“. Nun wird der funkelnde Nachlass der 2014 gestorbenen Ballettmeisterin in ihrer alten Heimat versteigert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - In einem klapprigen Citroën fing alles an. Mitte der 1950er fuhr die junge Stuttgarterin Dorothea Haug, als sie noch nicht „Miss Doris“ von den Freunden der Nacht genannt worden ist, per Anhalter nach Paris – in die Stadt der Träume und der Liebe. Unterwegs war sie mit einer Freundin. Beide hatten ein Ziel: Sie wollten Ballettänzerin werden. Im Moulin Rouge, im ältesten Cabaret der Stadt, das Generationen von Männern zum Schmachten verführt hat, durften die jungen Mädels aus dem damals als bieder geltenden Schwabenland anfangen. Sie waren in der großen Welt angekommen!

 

Für eine von ihnen sollte es der Anfang einer einzigartigen Karriere werden: Über vier Jahrzehnte lang war „Miss Doris“ die Chefin von 60 barbusigen Tänzerinnen. 1961 brachte die Ballettmeisterin die „Cancan“-Show auf die Bühne, die zum erneuten Weltruhm des 1889 gegründeten Hauses beigetragen hat. Das Theater, auf dessen Dach eine rote Mühle steht, war das Symbol des frivolen Nachtlebens und ist bis heute ein Wahrzeichen der Metropole. Wer hätte gedacht, dass ohne eine Stuttgarterin das Moulin Rouge nicht einmal annähernd so erfolgreich gewesen wäre?

Im Alter von 87 Jahren ist „Miss Doris“ gestorben

2014 ist Doris Haug mit 87 Jahren südöstlich von Paris gestorben. Die Chefchoreografin hatte keine Kinder. Erbin ist ihre in Stuttgart lebende Großnichte. Diese brauchte viel Zeit, um die große Menge an Erinnerungsstücken zu sichten und zu prüfen, was sie behalten und wovon sie sich trennen wollte.

Die „Ikone des Moulin Rouge“, wie sie vom Auktionshaus Eppli angepriesen wird, hatte im Testament verfügt, man solle ihren Besitz in der alten Heimat versteigern. Im Herzen sei die Tante Schwäbin geblieben, sagt die Nichte, mindestens zweimal im Jahr habe sie Stuttgart besucht. „Der Ort einer Auktion ist dank des Internets heute nicht mehr wichtig“, sagt Ferdinand Eppli. Angebote für die 600 Erbstücke, unter denen Cancan-Kleider, Zeichnungen, Schmuck und Bordeaux-Weine sind, erwartet er aus aller Welt. Die Versteigerung am Freitag, 26. Oktober, 11 Uhr, in der Eppli-Niederlassung in Leinfelden-Echterdingen, Heilbronner Straße 9–13, wird per Live-stream übertragen.

Das wertvollste Stück ist Brillantring

Bereits an diesem Mittwoch, 18 Uhr, wird das Andenken an die Ballettmeisterin im Friedrichsbau-Varieté mit Ausschnitten aus der aktuellen Show gefeiert (man kann ohne Voranmeldung kommen). Das wertvollste Stück der Auktion (siehe www.eppli.com) ist ein Brillantring der Marke Pellegrino. Der Startpreis liegt bei 45 600 Euro.

Die Cancan-Tänzerinnen werden noch heute „Les Doriss Girls“ genannt. Dass Doris mit zwei s geschrieben wird, liegt an einem Schreibfehler auf einem Plakat der frühen Jahre, den man bis heute einfach beibehalten hat. Spitze, Doriss!