Der Kinderporno-Prozess gegen den ehemaligen SPD-Abgeordneten im Bundestag, Sebastian Edathy, ist eingestellt worden. Doch damit ist die Affäre noch lange nicht ausgestanden, kommentiert der StZ-Autor Thomas Maron.

Berlin - Mag sein, dass in Verden die juristische Bewertung des Falls Edathy ihren Abschluss fand. Aber der Nachhall dieses Kinderporno-Verfahrens wird noch lange die Gemüter bewegen. Juristische, politische und moralische Fragen verlangen nach Antworten. Deshalb wäre es gut, sich nicht mehr ausschließlich an der Person des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy abzuarbeiten. Denn es geht um viel mehr.

 

Allerdings macht es einem Edathy nicht leicht, die Perspektive zu weiten. Seine spitzfindigen, unerträglich selbstgerechten Deutungen und Täuschungen schüren Emotionen, die den Blick auf das trüben, was jetzt noch aufgearbeitet werden muss. Es macht fassungslos, wenn einerseits sein Anwalt sagt, dass die Vorwürfe zuträfen, er selbst aber unmittelbar nach Abschluss des Verfahrens postet, eine „Schuldfeststellung“ sei damit „ausdrücklich nicht getroffen worden“. Wie entrückt, wie kaltherzig muss ein Mann sein, der in diesem Verfahren von Beginn an nur ein Opfer ausmachen konnte: sich selbst. Kein Wort des Mitgefühls mit den missbrauchten Kindern, deren „Bildmaterial“ er bestellte, kam ihm je über die Lippen.

Das Verfahren einzustellen war konsequent

Aber Wut und Verachtung sind in einem Rechtsstaat keine juristischen Maßstäbe. Deshalb sollte man sich bei der Bewertung des Verfahrens noch einmal klar machen, was verhandelt wurde. Edathy hat eingestanden, dass er noch als Bundestagsabgeordneter im Herbst 2013 mit seinem Dienstlaptop Bilder und Videos aus dem Internet herunterlud, die von der Staatsanwaltschaft als kinderpornografisch eingeordnet wurden – was er ganz offensichtlich noch immer anders sieht. Da aber sowohl die Anklage als auch das Gericht nach Sichtung der Beweise selbst zu dem Schluss kamen, dass nur eine geringe Strafe zu erwarten sei, war es konsequent, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen. Damit stellt sich aber die Frage, ob die Vehemenz, mit der gegen Edathy ermittelt wurde, tatsächlich verhältnismäßig war oder ob der zuständigen Staatsanwaltschaft angesichts der Prominenz des Beschuldigten nicht doch die Gäule durchgingen. Das Verfahren, das gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttich wegen Geheimnisverrats eingeleitet wurde, sollte da Antworten liefern. Man mag Edathy moralisch verurteilen, aber vor dem Gesetz müssen alle Menschen gleich sein.

Die Ermittler sind heillos überfordert

Wichtiger noch ist, was aus all dem folgt. Der Fall Edathy hat nämlich gezeigt, dass die wenigen Ermittler des Bundeskriminalamtes mit der kinderpornografischen Bilderflut heillos überfordert sind. Die Behörden müssen endlich personell in die Lage versetzt werden können, dem Abgrund des florierenden Online-Handels wirksam entgegen zu treten. Und die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung sollten prüfen, ob ihre berechtigten Bedenken ausreichen, den Polizeibehörden dieses Mittel der Beweissicherung vorzuenthalten.

Politisch ist der Fall vor allem für die SPD noch lange nicht ausgestanden, deren Parteiführung seit Oktober 2013 von den Vorwürfen wusste. Es ist offen, wer Edathy über die Ermittlungen auf dem Laufenden hielt. Vor allem SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann steht im Fokus. Oppermann hat eingeräumt, dass er Ende November 2013 den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann beauftragte, sich um Edathy zu kümmern. Über die Kinderpornovorwürfe will er freilich nie mit Hartmann gesprochen haben. Edathy bezeichnet Hartmann aber als seinen Informanten, was Hartmann bestreitet. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Von der Antwort darauf hängt nicht nur Oppermanns Zukunft ab. Sollte er zurücktreten, würde der Fall Edathy in einer Regierungskrise münden. Man wird sehen, wie stark angesichts dessen bei Union und SPD im Untersuchungsausschuss des Bundestags der Wille zur Aufklärung eben dieser Fragen ausgeprägt ist.