Die Rektoren und das Wissenschaftsministerium haben sich im Streit über das Promotionsrecht angenähert: Universitäten und Hochschulen werden die kooperativen Promotionskollegs ausbauen. Dafür stellt das Wissenschaftsministerium bis 2019 insgesamt 15 Millionen Euro zur Verfügung.

Stuttgart - Ein Masterabschluss ist ein Masterabschluss“, sagt Bastian Kaiser, der Vorsitzende der Rektorenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW). Er meint damit, auf dem weiteren akademischen Weg dürfe es keine Rolle mehr spielen, ob ein Absolvent seinen Abschluss an einer Universität oder an einer HAW gemacht hat. Diesem Anspruch sind die Rektoren und das Wissenschaftsministerium nun einen Schritt näher gekommen.

 

Dabei setzt Baden-Württemberg auf ein gemeinsames Vorgehen von Universitäten und Hochschulen. Die kooperativen Promotionskollegs werden ausgebaut. Zu den bereits bestehenden acht kommen im Jahr 2016 zehn weitere Kollegs hinzu. Die Entscheidung darüber, wer gefördert wird, soll noch in diesem Jahr fallen. Das Wissenschaftsministerium stellt für die gemeinsamen Promotionskollegs von Universitäten und HAW bis zum Ende der Laufzeit im Jahr 2019 insgesamt 15 Millionen Euro zur Verfügung. In einem Kolleg werden zehn bis zwölf Doktoranden aufgenommen. HAW-Professoren sollen verstärkt in die Universitäten eingebunden werden um Promotionen betreuen zu können. Gedacht ist an Kooptationen oder Assoziierungen. Eine Arbeitsgruppe soll Modelle erarbeiten.

Der Streit ums Promotionsrecht wird auch in anderen Bundesländern geführt

Theresia Bauer Foto: Mathias Ernert MKW
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) spricht von einen „ambitionierten Maßnahmenpaket“, mit dem die Forschungsfähigkeit der Hochschulen für angewandte Wissenschaften unterstrichen werde solle. Mit dem Programm will Baden-Württemberg ein Zeichen setzen in dem Streit um das allgemeine Promotionsrecht für Fachhochschulen, der auch in anderen Bundesländern geführt wird. Bauer nennt das Konzept den „Königsweg der Kooperation“, der die bessere Alternative zum eigenen Promotionsrecht der Fachhochschulen sei. „Wir stellen die Qualität in den Vordergrund“, sagt die Ministerin und hofft, das der gemeinsam mit Universitäten und Hochschulen erstellte Plan zum kooperativen Vorgehen „ein Signal an andere Länder ist“.

Bastian Kaiser Foto: Erich Sommer
Die HAW im Südwesten sind fürs Erste zufrieden. Ihr Sprecher Bastian Kaiser, selbst Rektor in Rottenburg, hält die Vereinbarung für die nächsten Jahre für einen gangbaren Weg. Ganz aufgeben wollen die Hochschulen die Möglichkeit aber nicht, in eigenen Verbünden für eine begrenzte Zeit das Promotionsrecht zu beantragen. Diese Option sieht das 2014 geänderte Landeshochschulgesetz in Form der so genannten Experimentierklausel vor. Auf diese Möglichkeit werde man die Landtagsabgeordneten immer wieder hinweisen, behält sich Kaiser vor. Ein Kolleg sei halt immer ein Verbund von Institutionen, und entsprechend schwerfällig. Vorläufig aber lobt Kaiser, dass man „wieder einen Schritt weiter sei darin, den Zugang zur Promotion für HAW-Absolventen zu öffnen. Davon würden nicht nur die Hochschulen profitieren. Kaiser sieht auch große Vorteile für kleinere und mittlere Unternehmen in der Fläche des Landes, die häufig Forschungspartner einer der 24 HAW im Südwesten seien. Durch die Stärkung der Forschung an den HAW könnten Fachkräfte in ländlichen Regionen gehalten werden.

Die Universitäten reagieren unterschiedlich auf die HAW-Doktoranden

So neu, wie die Vereinbarung nahe legen könnte, sind Doktorarbeiten von Absolventen der früheren Fachhochschulen nicht. Seit 2010 zählen die HAW im Land 410 Promotionen. Ein nicht geringer Teil erfolgt aber in Zusammenarbeit mit Universitäten jenseits der Landesgrenzen. Nur an 40 Prozent der Verfahren sind Landesuniversitäten beteiligt. Kaiser verzeichnet durchaus Unterschiede, wie aufgeschlossen die Universitätsfakultäten Doktoranden von den HAW begegnen oder wie sie HAW-Professoren als Doktorväter akzeptieren. Wenig Probleme gibt es demnach mit dem KIT oder auch mit den Universitäten Freiburg und Ulm.

Hans-Jochen Schiewer Foto: Uni
Bisher verwirken habilitierte Professoren ihr Promotionsrecht, wenn sie an einer HAW anheuern. Das soll jetzt mit dem neuen Landeshochschulgesetz anders werden. Die Anpassung der Promotionsordnungen sieht Hans-Jochen Schiewer, der Vorsitzende der Universitätsrektoren als vorrangige Aufgabe. Schiewer geht davon aus, dass Universitäten nun „proaktiv auf HAW-Professoren zugehen werden“ und die Kooptation anbieten werden. Die Universitäten im Land haben stets darauf gepocht, dass ohne ihre Beteiligung keine Doktortitel vergeben werden. So lobt Schiewer nun die „klare Entscheidung für die Nutzung bestehender Strukturen“.

Die Doktorandenbetreuung kostet auch Zeit

Die neun Landesuniversitäten haben Routine mit Promotionen. Pro Jahr zählen sie laut Schiewer 4500 Verfahren. „Wir nutzen das hochdifferenzierte System nun optimal aus“, sagt der Rektor der Universität Freiburg. Nun könne man die Absolventen der HAW systematisch in das bewährte System integrieren und die forschungsstarken HAW-Professoren stärker an die Universitäten binden. Am Interesse der Universitäten zur Zusammenarbeit fehlt es Schiewer zufolge nicht. 25 Anträge auf kooperative Kollegs hätten die Universitäten gestellt als nur vier ausgeschrieben gewesen seien. „Wir wollen die besten Köpfe in die Forschung bringen“, dazu seien auch die Universitäten entschlossen. Schiewer hält aber Nachbesserungen bei den Professoren für notwendig. „Die Betreuung von Promotionen braucht Zeit“, sagt er. Ein Fachhochschulprofessor unterrichte aber 18 Stunden pro Woche, so viel wie in keinem anderen Land und doppelt so viel wie ein Universitätsprofessor.