Ein großer Teil der Läden in der Stuttgarter Innenstadt verschenkt keine Plastiktragetaschen mehr an ihre Kunden. Meist sind nun 20 Cent fällig.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

Stuttgart - Der ältere Herr greift zögerlich nach dem Buch, das er bezahlt hat. „Können Sie mir das nicht einpacken?“ In der Buchhandlung Wittwer erhält man zwar noch eine kostenlose Plastiktüte – aber nur, wer explizit nachfragt, erklärt die Verkäuferin. Mancher Kunde hat von der aktuellen Tüten-Debatte gar nichts mitbekommen und wird erst an der Kasse damit konfrontiert. Beim Einkauf wird er bemerken, dass die Stuttgarter Geschäfte unterschiedlich auf die freiwillige Selbstverpflichtung des Handelsverbands Deutschland (HDE) reagieren, die kostenlose Plastiktüte abzuschaffen.

 

Stoff statt Plastik

Hintergrund ist die Tatsache, dass Plastiktüten die Meere kontaminieren und für das Sterben zahlreicher Tiere verantwortlich sind. Ziel ist es daher, die Menge der Tüten zu reduzieren. Allerdings verlangt nur ein Teil der Unternehmen seit 1. Juni Geld für Tüten, andere weigern sich. Sie argumentieren, dass eine freiwillige Verpflichtung dazu führt, dass diejenigen im Wettbewerbsvorteil sind, die nicht mitmachen: Die Kunden gingen dort einkaufen, wo sie Tragetaschen weiterhin umsonst bekommen.

Das sind in Stuttgart immer weniger Läden. Während einem bei Breuninger die Ware noch anstandslos in Tüten gepackt wird, muss der Kunde bei Kaufhof, C&A, H&M, Görtz und in den meisten anderen Schuh- und Bekleidungsgeschäften für die Plastiktüte bezahlen. In der Regen sind 20 Cent fällig. Manche Läden wie die Buchhandlung Wittwer geben ihre Restbestände heraus und wollen danach auf Stofftaschen oder Tragetaschen aus festem Recyclingmaterial umstellen, die wiederverwendbar sind.

Einige Unternehmen sind offensiv mit dem Thema umgegangen. Rewe hat die Umstellung als erster großer Lebensmittelhändler in Deutschland umgesetzt und hat dies medienwirksam mit großem Aufschlag verkündet. Man verzichtet dort nun ganz auf Plastiktüten und setzt auf alternative Tragetaschen und Kartons. Edeka will sein Tütenangebot bis zum Herbst auf umweltfreundlichere Produkte mit dem Blauen Engel umstellen, heißt es auf Nachfrage. Eine ähnliche Auskunft gibt der Discounter Aldi Süd, der neben seinen mit 10 Cent ungewöhnlich günstigen Plastiktüten auch Taschen aus anderen Materialien anbietet.

Kunden sensibilisieren

Beim Stand von Di Gennaro in der Markthalle wird der Kunde sachte auf den Umstand vorbereitet: An der Kasse erläutert ein Schild der Kundschaft, dass man sich „als Anbieter hochwertiger und naturbelassener Feinkost“ der „Umwelt besonders verpflichtet“ fühle. Niko Tsiris ist zuversichtlich, dass sie die Kunden recht schnell an ein Leben ohne Gratistüte gewöhnen werden. Der Chef und Gründer der Stuttgarter Bio-Markt-Kette Naturgut hat die Tüten bereits vor fast zwei Jahren aussortiert. „Anfangs haben die Leute immer noch danach gefragt. Aber heute ist das kein Thema mehr“, sagt er. Vermutlich ist die Kundschaft in einem Bioladen für Umweltthemen leicht zu sensibilisieren. Aber Niko Tsiris ist zuversichtlich, dass auch der Rest der Menschheit irgendwann einen Baumwollbeutel einsteckt, bevor er zum Einkaufen geht.