Bei Primark Deutschland gehen die Geschäfte schlechter. Auch in Stuttgart hat sich die anfängliche Goldgräberstimmung gelegt. Eine Spurensuche über die Gründe des Abschwungs.

Stuttgart - Eine Meldung aus der Textilwirtschaft überrascht: Statt immer neuer Rekordmeldungen über die Billig-Textil-Kette Primark, gibt es nun einen herben Dämpfer. Es heißt, die 30 Deutschland-Geschäfte des irischen Unternehmens verderben die gesamte Umsatzentwicklung (8,54 Milliarden Euro/2018) in Europa. Zu lesen war dies im Geschäftsbericht der britischen Primark-Mutter ABF für das Jahr 2018/2019. Während man in der Eurozone mit einem Wachstum von fünf Prozent rechne, verhagle Deutschland diese gute Bilanz. Weiter heißt es: Manche Filialen in Deutschland sollen verkleinert werden, um die Flächenproduktivität wieder zu erhöhen.

 

Ob das auch in Stuttgart kommt? Gehen auch die Stuttgarter Filialen auf der Königstraße und im Einkaufscenter Milaneo am Europaplatz schlecht? Der Eindruck in den Läden gibt ein unterschiedliches Bild ab. An Wochentagen scheint die Frequenz eher durchwachsen, an den Samstagen erinnert die Szenerie an die Goldgräberstimmung, die im Milaneo kurz nach der Eröffnung herrschte. Teilweise war es damals, wie vor dem Gotthard-Tunnel: lange Staus vor dem Eingang, Blockabfertigung. Security-Personal achtete streng darauf, dass man den Laden nicht wegen Überfüllung schließen musste. Auch weil es inzwischen zwei Filialen in der Stadt gibt, hat sich diese überhitzte Nachfrage im Milaneo deutlich abgekühlt.

Auch im Stadtbild scheint der schwindende Hype um Primark sichtbar zu sein. Marschierte früher eine Armada von jungen Kunden mit den typischen Primark-Papiertüten über den Europaplatz oder die Königstraße, so sind es heute deutlich weniger. Im offiziellen Statement der Primark-Pressestelle heißt es jedoch: „Wir sind mit der Entwicklung unserer Stuttgarter Stores in der Königstraße und im Milaneo sehr zufrieden. Wir haben hier zwei großartige Standorte, an denen wir unseren Kunden die neuesten Trends in der Damen-, Herren- und Kindermode sowie Beauty-Produkte und Heimartikel anbieten.“

Citymanager analysiert die Lage

Kundige Beobachter sehen das kritisch. Auch Citymanager und Handelsexperte Sven Hahn würde es nicht wundern, wenn die allgemeine Deutschlandlage des Textilkonzerns auch die Stuttgarter Filialen erreicht hätte. Wenn es so wäre, gäbe aus seiner Sicht gute Gründe dafür: „Tatsächlich ist es heute sehr schwer geworden, Textilhandel über mehrere Etagen zu betreiben. Der Trend geht ja eher dazu, sich auf das Erdgeschoss zu beschränken.“ Zudem sei der totale Verzicht, auch im Internet Waren anzubieten und zu verkaufen, eine denkbare Erklärung für das vermeintlich schlechtere Ergebnis. Nicht zuletzt glaubt Hahn auch, dass sich der Wind bei der Nachfrage von Discounter-Textilien gedreht habe. „Gut möglich, dass ein stärkeres Bewusstsein für Ökologie und fairen Handel nun den Discountern Probleme macht.“

Die Stichprobe vor der Primark-Filiale auf der Königstraße gibt ein wenig Einblick in die Konsumentenseele. Drei Teenager tragen dort stolz ihre gut gefüllten Papiertüten zur Schau. Auf die Frage, warum sie bei Primark einkaufen, schauen sie sich bedröppelt an, grinsen und schweigen. Erst auf hartnäckiges Nachfragen und Verweis auf die vielstimmigen Kritiker, wie etwa die „Clean Clothes Campaign“, bricht eine Jugendliche ihr Schweigen: „Ja, wir sind uns den Hintergründen zur Produktion und zum Handel bewusst.“ Die Frage, warum sie dennoch bei Textil-Discountern einkaufe, beantwortet ihre Freundin: „Weil es billig ist.“

Konsum ist für Jugendliche Freizeitbeschäftigung

Und doch muss sich bei den jungen Menschen ein Bewusstseinswandel durchgesetzt haben. Davon berichtet jedenfalls Kinga Gyökössy-Rudersdorf. Sie betreibt seit 25 Jahren im Namen der Stuttgarter Regionalgruppe „Kampagne für Saubere Kleidung“ Aufklärungsarbeit in Schulen, Kirchen, Kongressen und Vereinen. Nachhaltigkeit und Fairer Handel sind ihr Thema. Und an manchen Tagen, wenn sie eine Woche lang in einer Schule doziert hatte, war sie zunächst sehr niedergeschlagen: „Da hatte ich alles erklärt, und sie haben alles verstanden. Aber am nächsten Montag sind die Schüler wieder zu Primark.“ Sehr schnell war ihr klar: Hier geht es um mehr als nur um Konsum. „Für die jungen Leute ist das eine Freizeitbeschäftigung“, sagt sie. Man kauft, vergleicht (sich) und bewertet. „Manchmal bin ich überrascht, wie kritisch die Jugendlichen miteinander umgehen“, sagt sie.

Und doch scheint sich ihre Mühe auszuzahlen. Kinga Gyökössy-Rudersdorf ist davon überzeugt, dass die schlechten Deutschlandwerte auch auf Geschäftszahlen in Stuttgart und in fast allen Filialen der Bundesländer im Westen zurückzuführen sind. „Ich glaube, dass sich hier immer stärker ein Bewusstseinswandel vollzieht“, sagt sie, „lediglich im Osten gehen die Geschäfte noch gut.“ Hier hingegen, so hofft sie, löse der neue Trend bei der Freizeitgestaltung den alten ab: „Heute ist es einfach angesagt, bei Fridays for Future mitzumachen.“