In Stuttgart probieren Sportlerinnen und Sportler die olympische Kollektion, mit der sie demnächst bei Olympia in Tokio antreten.

Stuttgart - Der Weg zu Olympischen Spielen ist nicht nur beschwerlich, es empfiehlt sich auch, ihn Schritt für Schritt zu gehen. Die Athletinnen und Athleten, deren Ziel am Montag Stuttgart war, sind schon ziemlich weit gekommen. Bis zur Einkleidung. „Für alle, die nun die Klamotten anprobiert haben“, sagte Bahnradfahrerin Franziska Brauße, „ist Tokio nahe. Und greifbar.“ Im wahrsten Sinn des Wortes.

 

Die Pandemieregeln erfordern besondere Maßnahmen, natürlich auch im Vorfeld der Sommerspiele. Dieses Mal fand die Anprobe der Ausstattung nicht zentral an einem oder zwei Orten statt – sondern in einem vier Meter hohen Truck, auf 90 Quadratmetern und natürlich coronakonform. Auf seinem 2500 Kilometer langen Weg quer durch Deutschland machte der 28-Tonner halt an acht Stationen, die letzte war der Olympiastützpunkt Stuttgart im Neckarpark. Die Athleten wussten diesen Vor-Ort-Service zu schätzen. „Anfangs war ich ein bisschen enttäuscht, denn ich bin ja jeden Tag hier“, meinte Marie-Laurence Jungfleisch mit einem Lächeln, „doch letztlich war es mega entspannend.“ Die Hochspringerin trainierte morgens, dann ging es zur Anprobe. Und anschließend zurück in die Halle zur nächsten Einheit. „Das hat bestens gepasst.“ Zeitlich. Und modisch.

88 Teile umfasst die olympische Ausstattung für die Sportlerinnen, 86 Teile für die Sportler. Dazu gehören neben der Bekleidung auch Accessoires wie Taschen, Rucksäcke, Caps, Schweißbänder oder Sonnenbrillen. Versorgt werden auch Trainer, Betreuer, Techniker, Mediziner und Funktionäre – insgesamt rund 750 Personen. Das ergibt ganz schön viele Puzzleteile, die sich am Ende zu einem einheitlichen und sehenswerten Bild zusammenfügen sollen. „Ein Großteil der Sachen ist echt cool, die werde ich auch privat anziehen“, sagte Franziska Brauße. Und Marie-Laurence Jungfleisch lobte ebenfalls: „Die ganze Kollektion ist sehr schön. Die vielen Pastelltöne sind genau meine Farben.“

Lesen Sie auch: VfB-Hochspringerin rassistisch beleidigt

Die Hochspringerin vom VfB Stuttgart gehörte zu jenen Athletinnen, die bis zuletzt um ihre Nominierung bangen mussten. 2019 hatte sie zwar mit einem Satz über 1,96 Meter die Norm erfüllt, die Bestätigung verpasste sie in diesem Jahr mit ihrer Saisonbestleistung (1,90 Meter) allerdings um zwei Zentimeter. Was auch daran lag, dass sie ihren Anlauf umgestellt hat, um ihre langwierigen Achillessehnenprobleme in den Griff zu bekommen. „Ich muss noch daran arbeiten, mit der daraus resultierenden höheren Geschwindigkeit richtig umzugehen“, sagte Jungfleisch. Dementsprechend legt sie sich selbst die Latte für die Olympischen Spiele nicht unerreichbar hoch: „Ich will es ins Finale der besten zwölf schaffen. Das ist ein schönes Ziel.“

Nach 2016, als sie in Rio de Janeiro die erhoffte Medaille verpasste, wird Jungfleisch ihre zweiten Sommerspiele erleben. Dass diesmal alles ganz anders wird, ist ihr bewusst. Und spielt doch nicht die entscheidende Rolle. „Als Tokio 2020 verschoben wurde, war das für uns alle ein Schlag ins Gesicht, ich hatte bis zum Schluss gehofft“, sagte die 30-Jährige, „umso wichtiger ist, dass die Spiele jetzt stattfinden. Wir Athleten haben darauf hingearbeitet – und akzeptieren selbstverständlich die Einschränkungen in Japan, die komplett richtig sind.“

Es ist ein Satz, der von den Olympia-Startern immer wieder zu hören ist. Schon vor dem Beginn der Wettkämpfe gibt es einen ersten Sieger – den Pragmatismus. Jede und jeder äußert vollstes Verständnis dafür, dass alles dafür getan werden muss, um die Bevölkerung vor Ort zu schützen. Niemand will, dass nach der Schlussfeier Infektionsherde zurückbleiben. Zugleich hoffen alle, dass auch anerkannt wird, wie wichtig Olympische Spiele für sie sind. Als Höhepunkt einer jeden Karriere.

Welchem die Athleten nun einen Schritt näher gekommen sind. „Der Termin der Ankleidung fühlt sich an, als ob Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Man darf shoppen gehen, ohne bezahlen zu müssen“, meinte Ringer Frank Stäbler, „und dazu kommt, dass es nicht irgendwelche Klamotten sind. Es ist die Kleidung, mit der wir Deutschland repräsentieren.“