Dem Tourismus in Südafrika droht ein Rückgang. Die Behörden verlangen neuerdings von einreisenden Kindern eine Geburtsurkunde mit den Daten beider Eltern. Vor allem für die Chinesen ist das oft ein Problem.

Pretoria - Die Sonne strahlt wie eh und je, das Meer lächelt und lädt zum Bade, und die wilde Tierwelt wartet in üblicher Pracht, um sich von Besuchern bestaunen zu lassen – von ein paar Hundert gewilderten Nashörnern einmal abgesehen. Trotzdem bleiben am Kap der Guten Hoffnung plötzlich die Touristen weg. Die Zahl der vor allem aus Europa einfliegenden Urlauber ist in den vergangenen Monaten um fast ein Viertel zurückgegangen. „Eine ökonomische Katastrophe“, schlägt die Opposition im Parlament Alarm.

 

Was, um Gottes willen, ist geschehen?   Anders als sonst wo in Afrikas sind für den Einbruch der Besucherzahlen keine Terrorangriffe, Entführungen oder Dürrekatastrophen verantwortlich, schuld scheint allein die südafrikanische Regierung selbst zu sein. Der Innenminister Malusi Gigaba hatte im vergangenen Jahr beschlossen, dass dringend etwas gegen das Phänomen der Verschleppung von Kindern getan werden müsse. Das Problem sei weit verbreitet und Besorgnis erregend, befand der Minister. Dabei haben die Behörden des Landes in den vergangenen drei Jahren gerade einmal 23 Fälle registriert.

Südafrikas Tourismus leidet schon

Also verschärfte das Einwanderungsamt die Visumbestimmungen. Wer inzwischen mit einem Kind in das weltweit gepriesene Touristenparadies reisen will, muss eine ausführliche Geburtsurkunde, ein „full birth certificate“, mit den Daten beider Eltern vorweisen. Doch damit nicht genug. Wer mit seinem Kind alleine unterwegs ist, muss eine eidesstattliche Erklärung des fehlenden Elternteils präsentieren, dass die Reise abgesprochen wurde. Ein Albtraum für alle Alleinerziehenden, deren ehemalige Partner nur darauf warten, der Ex-Frau oder dem Ex-Mann das Leben sauer zu machen.  

Die Quittung für diese Urlaubserschwernis folgte auf dem Fuß. Die Internationale Air Transport Association (Iata) meldete einen Rückgang der Ticketverkäufe ans Kap im Urlaubsmonat Juli um 21 Prozent, im Juni war sogar ein Umsatzeinbruch um 26 Prozent registriert worden. Besonders hart erwischte es chinesische Touristen. Deren Zahl ging um 38 Prozent zurück. Vermutlich ist es in China ähnlich aufwendig wie in Südafrika, ein „full birth certificate“ zu ergattern. Hierzulande kann das ein halbes Jahr in Anspruch nehmen.

Geburtsurkunde für alle einreisenden Kinder

  Die alarmierende Tendenz hat inzwischen das Tourismusministerium aufgeschreckt. Dessen Chef Derek Hanekom rief  seinen Kabinettskollegen Gigaba  zur Rücknahme der „drakonischen Maßnahmen“ auf. Der Tourismus macht immerhin zehn Prozent der Wirtschaftskraft des Landes aus und beschäftigt mehr als 650 000 Personen. Damit biss er bei seinem Parteifreund vom ANC jedoch auf Granit. Gigaba bestand auf seiner angeblichen Verantwortung für den Schutz hilfloser Kinder und führte den Rückgang der Besucherzahlen auf die Ebola-Seuche zurück, die vor einem Jahr weltweit Schlagzeilen machte.  

Hinter der schwer verständlichen Unnachgiebigkeit des Innenministers machen Beobachter den südafrikanischen Trend aus, ausländischen Besorgnissen zunehmend die kalte Schulter zu zeigen. Trotz großer öffentlicher Bedenken kündigte Pretoria im vergangenen Jahr die Investitionsschutzabkommen mit Industrienationen und ließ einen führenden Außenpolitiker jüngst laut über ein Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft nachdenken. Durch eine solche Gesetzesänderung würden Zigtausende von weißen Südafrikanern gezwungen, entweder ihre europäische oder südafrikanische Staatsbürgerschaft aufzugeben. Den Kabinettsstreit über die Geburtsurkunden soll nun „Mr. Fixit“, der Vizepräsident Cyril Ramaphosa, beilegen. Die Kapbewohner haben sich längst daran gewöhnt, dass in Angelegenheiten, die Entscheidungskraft verlangen, der zweite Mann im Staat herhalten muss.

Jetzt soll der Homo naledi helfen

Seit Kurzem ist die Tourismusbranche allerdings wieder etwas zuversichtlicher. Der sensationelle Frühmenschen-Fund des Homo naledi könnte die Besucher wieder in Wogen ans Kap schwappen lassen. In einer Höhle bei Johannesburg haben Paläoanthropologen den bislang reichsten Fund frühmenschlicher Fossilien entdeckt: die Überreste von 15 Individuen, darunter auch zahlreiche Kinder. Das Problem ist, wenden Spötter ein: bei keinem der minderjährigen Homo naledi wurde eine Geburtsurkunde gefunden.