Das Seehaus in Leonberg hat mit dem Bereich „Soziale Landwirtschaft“ neue Lern- und Arbeitsmöglichkeiten für straffällige Jugendliche geschaffen. Auch gesunde Ernährung ist ein Thema.

Leonberg: Marius Venturini (mv)

Das Seehaus in Leonberg hat mit dem Bereich „Soziale Landwirtschaft“ neue Lern- und Arbeitsmöglichkeiten für straffällige Jugendliche geschaffen. „Durch die tägliche Arbeit mit Tieren und den verantwortungsvollen Umgang mit Natur und Umwelt sollen soziale Kompetenzen, emotionale Stabilität und berufliche Orientierung gezielt gefördert werden“, sagt Tobias Merckle, geschäftsführender Vorstand des Vereins.

 

Auf dem Gelände des Seehauses am Glemseck versorgen die jungen Männer, die straffällig gewesen sind, Rinder, Hühner und Esel. Sie bewirtschaften landwirtschaftliche Flächen und gestalten Erlebnisprogramme unter anderem für Kindergärten und Schulklassen.

Arbeit mit Tieren bietet im Seehaus ein „niederschwelliges Lernfeld“

„Viele der Jugendlichen haben tiefgreifende emotionale und soziale Defizite, kaum familiären Halt und kommen aus stark belasteten Lebensverhältnissen“, sagt Irmela Abrell, Sozialpädagogische Leiterin des Seehauses. Die Arbeit mit Tieren biete ihnen ein niederschwelliges Lernfeld, in dem sie „Beziehung, Verantwortung und emotionale Selbstregulation“ ganz praktisch einüben könnten – und zwar täglich.

Esel und Hühner: Im und um das Seehaus leben zahlreiche Tiere. Foto: Seehaus Leonberg

Dies sei die Grundlage für den erfolgreichen Beginn oder die Fortsetzung einer Ausbildung nach der Haftentlassung. So werden die bisher bestehenden Ausbildungsbereiche Schreinerei, Metallbau, Bautechnik, Garten-/Landschaftsbau und Hausmeisterei durch zusätzliche Qualifikationsmöglichkeiten im landwirtschaftlich-ökologischen Sektor ergänzt.

So können die Jugendlichen auch einen konkreten Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung und gesunder Ernährung leisten. Dabei kommen die Hühner vom Seehaus ins Spiel. Denn ab sofort bietet das Seehaus Bio-Eier von glücklichen Hühnern zum Kauf. 220 Lohmann Brown Hühner leben nun am Seehaus, sie werden ökologisch gehalten und artgerecht gefüttert, ohne den Einsatz von Antibiotika. Täglich legen sie etwa 180 Eier, die mit von Hand gesammelt werden.

„Die Seehaus-Bio-Eier sind so unterschiedlich in Farbe und Form wie die Charaktere der Hühner, die sie legen“, fasst man beim Verein zusammen. Verkauft werden die täglich frischen Eier für 50 Cent pro Stück im Biergarten Glemseck und im Selbstbedienungskühlschrank auf dem dazugehörigen Parkplatz.

Die Landwirtschafts-AG gibt es beim Seehaus schon seit 2013

Das neue Angebot baut auf bisherige Erfahrungen im Landwirtschaftsbereich auf. So gibt es schon seit dem Jahr 2013 jeden Montagabend die Landwirtschafts-AG. Die AGs können von den Jugendlichen nach ihren persönlichen Interessen ausgewählt werden: Von Klavierspielen über Kochen bis hin zur Landwirtschaft ist einiges geboten – und das mit Unterstützung von ehrenamtlichen Mitarbeiter.

„Ich genieße das Draußensein und das praktische Arbeiten“

Einer von ihnen ist Daniel Abrell, der mit seiner Familie seit vielen Jahren fest zum Seehaus-Team gehört. Er startete als Familienvater im Seehaus und unterrichtet an der Seehaus-Schule das Fach Bautechnik. „Ich genieße das Draußensein und das praktische Arbeiten gemeinsam mit den Jungs. Die Kombination aus Natur, Handwerklichem und Tieren tut einfach sehr gut“, sagt Daniel Abrell.

Zu den typischen Aufgaben zählen beispielsweise die Versorgung der Rinder, Hühner und Ponys, das Umstecken der Weidezäune, Reparaturarbeiten, das Auffüllen der Wassertanks und das Einsammeln der Eier. So lernen die jungen Männer, Verantwortung zu übernehmen. Und jeder erlebt den Umgang mit den Tieren in der Natur ganz individuell.

Bio-Produkte im Angebot

Erlös
Der Erlös aus dem Eierverkauf fließt in den Ausbau der sozialen Landwirtschaft beim Seehaus. Der Erlös jedes zehnten Eis geht in die dortige Opfer- und Traumaberatung.

Nudeln
Die eigenen Seehaus Bio-Nudeln, die aus den Bio-Eiern mit einem regionalen Hersteller gefertigt werden, gibt es zum Preis von 5 Euro je 500-Gramm-Packung.