Wegen des anhaltenden Fachkräftemangels und um Schließungen von Kitas zu vermeiden, appellieren die großen Stuttgarter Träger nun gemeinsam für den Einsatz von externen Experten in der Kinderbetreuung.

Rund 80 Prozent aller Kita-Plätze in Stuttgart werden von dem privaten Anbieter Konzepte, den Eltern-Kind-Initiativen, dem Evangelischen Kirchenkreis und der Stadt Stuttgart gestellt. Doch die Aufrechterhaltung des Betriebs steht wegen des Fachkräftemangels zunehmend infrage. Sie schlagen nun vor, in der Personalgewinnung und in der Struktur der Einrichtungen neue Wege zu gehen. „Wir müssen mindestens bis ins Jahr 2030 mit dieser Situation leben“, sagt Waltraud Weegmann vom Verband freier unabhängiger Kindertagesstätten Stuttgart.

 

Private plädieren für „realistische Lösungen“

Sie ist Geschäftsführerin von Konzepte GmbH, die Kinderhäuser und Schulen führt und Erzieherinnen und Erzieher ausbildet. „Das Letzte, was wir wollen, wären höhere Beiträge, größere Gruppen und eingeschränkte Öffnungszeiten.“ Doch dafür müsse sich einiges ändern. „Qualität kann in der Kita nicht mehr nur einen immer besseren Personalschlüssel bedeuten“, formulieren die Träger in einem Positionspapier. Stattdessen plädieren sie für „realistische Lösungen“ und die Prüfung, „ob die hohe Anforderung an Bildung über die gesamte Öffnungszeit hinweg bestehen könne oder ob es auch Zeiten mit weniger Einzelzuwendung geben könne. Das eröffne den Kindern Freiräume zum Streunen und für Eigeninitiativen. „Für Kinder bedeutet Qualität auch, dass sie mal wieder spielen können“, sagt Sandra Hörner vom Dachverband der Stuttgarter Eltern-Kind-Gruppen.

Träger fordern wechselnde Phasen in der Kita

Das Land Baden-Württemberg hat bereits zur Diskussion gestellt, Bildungs- und Betreuungszeiten zu trennen. Das lehnen die Träger ab, sie fordern wechselnde Phasen und, so Waltraud Weegmann, „eine größere Flexibilität für uns Träger“. Die strikte Trennung würde nämlich bedeuten, dass den Kitas die Fachkraftförderung für die Zeit entzogen würde, in der lediglich sogenannte Betreuung stattfindet. Schon jetzt, so Beate Streicher-Kielsch, seien die Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis von Kitas verschärft worden, „das passt mit der von uns geforderten Flexibilität nicht zusammen“. Könnte man allerdings Personal beschäftigen, das aus Sicht der Einrichtungen geeignet ist, wären die Fachkräfte entlastet, „und den Kindern würden sich neue Anregungen bieten“, so Sandra Hörner. Auch für Jörg Schulze-Gronemeyer vom evangelischen Träger ist eine Betreuung mit anderen Kräften vorstellbar, „beispielsweise in der Mittagszeit beim Essen und Freispiel“. Beate Streicher-Kielsch verweist in diesem Zusammenhang auf Logopädinnen, deren Einsatz in den Sprach-Kitas nicht mehr über den Bund gefördert wird: „Sie und die Sport- und Theaterpädagogen sind Experten, aber keine Fachkräfte.“

Höhere Vergütung von Akademikern gefordert

Diese neue Zusammensetzung des Personaltableaus in Kitas, der Bildungs- und Inklusionsanspruch sowie das zunehmend herausfordernde Verhalten der Kinder fordern die Fachkräfte stark. Die Träger schlagen vor, sogenannte Anleiter, zum Beispiel ausgeschiedene Erzieherinnen und Erzieher, mit ihrem Erfahrungsschatz zu praxisbezogenen Weiterbildungen, zu Beratungen und Coachings in die Kitas zu schicken. „Gut wäre eine trägerübergreifende Praxisakademie“, sagt Sandra Hörner.

Gleichzeitig setzen sich die Unterzeichner des Positionspapiers für eine höhere Vergütung von Akademikern ein, um einen Anreiz für den Berufseinstieg in Kitas zu schaffen, für eine Entlastung der Erzieherinnen von Verwaltungsaufgaben, für eine Entlohnung während der klassischen Ausbildung. Waltraud Weegmann: „Es geht uns nicht um die Herabsetzung des Personalschlüssels, es geht uns darum, möglichst gute Arbeit zu machen und die Elternbedürfnisse möglichst gut abzudecken.“

Im September werden die Vorschläge diskutiert

In einer Schwerpunktsitzung des Jugendhilfeausschusses am 26. September werden die Vorschläge eingebracht und bis dahin auch landesweit publik gemacht. Die Reaktionen dort dürften spannend sein: Schon jetzt gebe es Konkurrenz mit den Nachbarkreisen, wo die Kitas zum Teil schon am Freitagmittag schließen. „Die werben bei unseren Erzieherinnen damit, dass sie dort ja freitags freihaben“, sagt Beate Streicher-Kieltsch vom Jugendamt der Stadt Stuttgart.